Söldnerehre (German Edition)
Kriegsrat ein. Hierzu hatte der Hauptmann kurzerhand einen halbwegs intakten Raum im Ostturm requiriert. Als Tisch fungierte ein umgedrehtes Fass, auf dessen Boden Cadros Bal mit Kreide eine Skizze der Abtei und der vermuteten Moyri-Stellungen gemalt hatte. Außer dem Hauptmann selbst, seinen zwei Feldwebeln, Logan und Kilian erschien überraschenderweise auch Faris Lenard, und das, obwohl ihn eigentlich niemand gerufen hatte. Der alte Mann stolzierte einfach wie selbstverständlich herein, besah sich mit beiläufigem Blick die Skizze und lehnte sich dann mit dem Rücken an die Wand, ein schmales, undeutbares Lächeln auf dem Gesicht. Zu guter Letzt war auch noch Aron Melkit erschienen. Der ehemalige Bäcker fungierte offiziell als Sprecher der Zivilisten des Flüchtlingstrecks, doch Cadros Bal ließ keinen Zweifel daran, dass der kleine Mann mit der tonnenförmigen Brust nur geduldet wurde und kein Mitspracherecht für sich beanspruchen konnte.
Cadros Bal streifte den Mann mit einem stechenden Blick, zuckte dann die Achseln und widmete sich erneut der Planung, wie die Abtei am besten zu verteidigen sei. Seine zwei Feldwebel waren um einiges jünger als der grobschlächtige Hauptmann.
Ihre Namen waren Marek Serillek und Lorn Askol. Die beiden waren Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Marek besaß dunkles Haar, dunkle Augen und war von eher stillem Gemüt; Lorn im Gegensatz war eine blond gelockte Frohnatur, den die meisten Menschen augenblicklich in ihr Herz schlossen.
Kilian hasste ihn auf den ersten Blick.
Cadros Bal räusperte sich verhalten, bevor er seine Stimme erhob. »Wir stehen einem logistischen und organisatorischen Albtraum gegenüber.« Kilian sah mehrere der Anwesenden zustimmend nicken.
»Vor uns liegt die Aufgabe, eine Stellung mit nur wenigen Männern gegen eine überlegene Streitmacht zu verteidigen. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir hier nicht auf verlorenem Posten stehen.«
»Und …«, begann Aron zögernd. »Und, wenn wir in Kapitulationsverhandlungen treten?«
Cadros Bals Kopf zuckte hoch und er durchbohrte den ängstlichen Mann mit Blicken, die schärfer waren, als es jeder Dolch hätte sein können.
Seine beiden Feldwebel blickten ähnlich düster, sodass der Mann unwillkürlich zurückschreckte.
Trotzdem fasste sich Aron ein Herz und sprach – wenn auch zitternd – weiter. »Ich meine das ganz ernst. Die Moyri werden ebenfalls Verluste erleiden, falls sie die Abtei mit Gewalt nehmen müssten. Es ist in ihrem eigenen Interesse, eine friedliche Lösung zu finden. Falls wir uns ergeben, sind sie möglicherweise gnädig genug, uns am Leben zu lassen.«
Kilian schüttelte nur mitleidig den Kopf und verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln. Auch wenn er dem Mut Respekt zollte, einen solchen Vorschlag überhaupt anzubringen, so verspürte er nicht die geringste Lust, in Moyri-Gefangenschaft zu gehen. Falls man mit einem solchen Anliegen an die Moyri herantrat, würden sie natürlich darauf eingehen. Sie wären dumm, wenn sie es nicht täten. Doch sobald die Varis entwaffnet und die Tore der Abtei geöffnet wären, begänne das Massaker. Und das schwerste Los würden die Frauen tragen müssen.
Cadros Bal dachte ähnlich, denn er spuckte angewidert aus. Der Hauptmann öffnete mit der Absicht zu einer wütenden Erwiderung den Mund, besann sich jedoch eines Besseren und sagte in ruhigem Tonfall: »Aron, seid Ihr verheiratet?«
Der ehemalige Bäcker runzelte verwirrt die Stirn. »J… ja.«
»Habt Ihr Kinder?«
»Einen Sohn und zwei Töchter.«
»Wie alt?«
»Mein Sohn ist zehn, die Mädchen vierzehn und siebzehn.«
»Wenn die Moyri durch die Tore brechen oder die Mauern auf eine andere Art überwinden, werden alle Männer abgeschlachtet, ebenso die alten Frauen und die ganz kleinen Kinder. Anschließend werden alle Frauen zwischen zwölf und fünfzig zusammengetrieben; Eure Frau und Eure Töchter werden darunter sein. Und dann feiern die Moyri ihren Sieg. Man wird die Frauen und Mädchen tagelang vergewaltigen und was anschließend von ihnen übrig ist, in die Sklaverei verkaufen.«
Bei den äußerst anschaulichen Ausführungen des Hauptmanns lief Arons Gesicht kalkweiß an. Inzwischen musste er sich an einer Wand abstützen, um nicht umzukippen.
Cadros Bal fuhr jedoch ungerührt und mitleidlos fort. »Falls Ihr also noch einmal mit dem glorreichen Gedanken spielt, dass Feigheit der bessere Teil der Tapferkeit ist, dann denkt an meine Worte und an das
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