Söldnerehre (German Edition)
Schicksal, das Eurer Familie blüht, falls wir scheitern.«
Der Bäcker sah betreten zu Boden. »Ich liebe meine Familie … aber … aber … ich bin kein Held.«
Cadros Bal ging zwei Schritte um den improvisierten Tisch und stand Aron Melkit nun genau gegenüber. Kilian rechnete schon fast damit, dass er den schwächeren Mann schlagen würde, doch der Hauptmann überrumpelte ihn, indem er überraschend sanft die Hand auf dessen Schulter legte. »Hier und heute müsst Ihr einer sein.«
Die Berührung und Cadros Bals Worte lösten tatsächlich die Anspannung in den Schultern des Mannes und es kehrte etwas Farbe auf dessen Wangen zurück. Der Hauptmann straffte die Schultern und wandte sich wieder der Skizze zu.
»Wie schon erwähnt, stehen wir vor großen Problemen.« Er warf Kilian einen leicht ungnädigen Blick zu. »Aufgrund eines Hinweises, der mir kürzlich zuteilwurde, werden wir unsere Verteidigungsbemühungen auf das Haupttor konzentrieren, und zwar mit dem Gros unserer Kräfte. Auf den anderen drei Mauerabschnitten werden wir jeweils eine Rumpfbesatzung von höchstens zehn oder zwanzig Mann belassen. Falls der Feind dort angreift, können sie Alarm schlagen und wir verlegen Truppen vom Haupttor an den Ort des Geschehens. Leider haben wir nur sehr wenige Bogenschützen. Diese werde ich voll und ganz auf den Mauerabschnitt über dem Tor konzentrieren. Ich habe bereits Arbeitstrupps eingeteilt, mit dem Auftrag, die verfallenen Hütten innerhalb der Abtei abzureißen und daraus eine Art Überdachung für den Wehrgang zu zimmern. Es wird nicht reichen, um den ganzen Wehrgang zu schützen, aber für die kritischsten Punkte sollte das Holz eigentlich genügen.«
Er sah erneut zu Aron hinüber, der sich inzwischen gefangen hatte. »Was mich zu Euch bringt. Ihr müsst Frauen und die älteren Kinder zu Feuerlöschtrupps einteilen, für den Fall, dass die Moyri Brandpfeile über die Wälle schießen. Wenigstens verfügen wir über einen eigenen Brunnen und brauchen uns über Trink- oder Löschwasser keine Sorgen zu machen. Alle kampffähigen Männer sollen sich bei meinen Feldwebeln einfinden. Diese werden sie für die einzelnen Mauerabschnitte einteilen. Sie sollen an Waffen mitbringen, was sie finden können: Mistgabeln, Schaufeln, alles, was sich verwenden lässt.«
Der Bäcker nickte abgehackt.
»Sie sollten einige ihrer Leute in eine separate Gruppe einteilen«, meldete sich plötzlich Faris Lenard zu Wort.
Kilian schreckte hoch. Die Anwesenheit des alten Mannes hatte er längst vergessen. Cadros Bal rieb sich müde die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. Kilian bekam schon beinahe etwas Mitleid mit dem Mann. Es war nicht einfach, eine Verteidigung zu planen, wenn man ständig von Amateuren unterbrochen und mit unwillkommenen Ratschlägen traktiert wurde.
»Und wieso das?«, fragte der Hauptmann entnervt.
»Weil die Moyri manchmal am Haupttor einen Scheinangriff führen und dann an anderer Stelle unbemerkt eine kleine Gruppe Soldaten über die Mauer klettern lassen, die Feuer legen, Wachen aus dem Hinterhalt ermorden oder auf andere Art Unfrieden stiften. Wenn Ihr eine kleine Gruppe unserer Soldaten zurückhaltet, könnt Ihr auf eine solche Eventualität besser, schneller und gezielter reagieren.«
Kilian konnte förmlich sehen, wie es hinter Cadros Bals Stirn ratterte. Die Ausführungen Faris Lenards waren klug, weitsichtig und überzeugend, genau das Gegenteil von dem, was der Hauptmann – und darüber hinaus auch Kilian – erwartet hatte.
Der Söldner betrachtete den alten Mann plötzlich mit ganz neuen Augen. Das hatte er ihm gar nicht zugetraut. Das war in höchstem Maße überraschend … und auch ein wenig beunruhigend. Der Mann offenbarte einen scharfen, taktisch denkenden Verstand. Bisher hatte Kilian Lyras Begleiter gewaltig unterschätzt. Was verheimlichte der Mann wohl sonst noch alles?
Cadros Bal nickte murmelnd und unterbrach damit Kilians Gedankengänge. »Das klingt nicht übel. So machen wir das. Falls keine Fragen mehr sind, würde ich es vorziehen, an die Arbeit zu gehen. Die Moyri werden nicht lange auf sich warten lassen.«
»Was denkt Ihr, wann sie angreifen?«, fragte Logan und stellte damit die Frage, vor der sich jeder fürchtete.
»Schon sehr bald. Sie werden als Nächstes Bäume fällen, um Leitern und vielleicht einen oder zwei Rammböcke zu bauen. Das verschafft uns zumindest Zeit, wenn auch nicht viel. Spätestens in einem oder zwei Tagen haben wir sie auf dem
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