Söldnerehre (German Edition)
Hals. Und dann kämpfen wir mit dem Rücken zur Wand.«
* * *
Cadros Bals Vorhersage erwies sich als geradezu prophetisch. Am Morgen des zweiten Tages nach dem Kriegsrat rückten die Moyri gegen das in die Ostmauer eingelassene Tor vor.
Die Belagerten hatten die Zeit gut genutzt. Die Arbeitstrupps hatten für gut zwei Drittel der Wehrgänge der Abtei aus Brettern einen Schutz vor Pfeilen gezimmert. Auf dem Ostwall standen nun fast zweihundert Varis-Soldaten und fast hundert bewaffnete Zivilisten. Auf den anderen drei Mauern standen jeweils zehn Varis-Soldaten und zehn Zivilisten. Die Frauen und älteren Kinder hatten sich zu Feuerlöschtrupps von je dreißig Personen zusammengeschlossen. Sie warteten in den intakten Türmen auf ihren Einsatz und beteten, dieser möge niemals kommen.
Die von Faris Lenard angeregte separate Gruppe zählte zwanzig Soldaten und noch einmal die gleiche Anzahl Zivilisten. Diese Gruppe wartete in einem halb verfallenen Stall im Innenhof. Die Zivilisten hatten sich tatsächlich mit allem an Waffen eingedeckt, dessen sie habhaft werden konnten. Manche führten rostige Dolche und Messer oder Sensen und Mistgabeln. Einige jedoch besaßen nichts außer ihren bloßen Händen.
Arme Teufel, dachte Kilian bei sich, als er mit seiner Truppe seinen Platz auf dem Ostwall einnahm. Zu seiner Überraschung stand Aron Melkit dort bereits auf Posten. Der Bäcker hatte aus einer rätselhaften Quelle ein altes, rostiges Schwert aufgetan, das er stolz in einer verschlissenen Scheide an der Hüfte trug.
Cadros Bal beobachtete die anrückende Streitmacht unter zusammengezogenen Augenbrauen und spuckte mindestens einmal pro Minute aus. Kilian stellte sich ungefragt an seine Seite.
»Das sind verdammt viele Moyri«, erklärte der alte Haudegen, ohne sich zu dem Söldner umzudrehen.
»Dann gibt es wenigstens genug für alle«, erwiderte Kilian heiter und zog sein Schwert.
»Du hast einen verdammt makaberen Sinn für Humor, mein Junge«, grinste Cadros Bal. Für gewöhnlich war Kilian von der Anrede mein Junge wenig begeistert, entschloss sich aber, es diesem Hauptmann dieses eine Mal durchgehen zu lassen. Ausnahmsweise.
Die Moyri rückten mit schätzungsweise fünf- bis sechshundert Mann gegen sie vor. Der Rest ihrer Streitmacht wartete in sicherer Entfernung darauf, dass das Tor durchbrochen oder den Verteidigern so viele Verluste zugefügt worden waren, dass ein Erfolg versprechender Angriff möglich wurde. Sie führten zwei Dutzend Leitern und einen Rammbock mit sich. Was Kilian aber am meisten störte, waren vier Sturmwände, die die Moyri vor ihren Truppen herschoben und hinter denen sich eine große Anzahl Bogenschützen verbargen. Diese Sturmwände würden ihnen noch große Probleme bereiten, sehr große.
Er schätzte, dass die Moyri an die hundert Bogenschützen mit dieser ersten Welle nach vorn schickten. Sie selbst verfügten nur über knapp vierzig Bogenschützen. Kurta hatte sich bereits zu ihnen gesellt und prüfte derzeit seine Pfeile auf Schwachstellen. Der Moyri-Bogenschütze würde unter seinen Landsleuten einen hohen Blutzoll fordern, bevor es die ersten schafften, die Mauer überhaupt zu erreichen. Seine Miene verdüsterte sich jedoch, als er bemerkte, wie die Varis dem Moyri misstrauische Blicke zuwarfen. Einige der Blicke grenzten sogar an offene Feindseligkeit. Nun, das war eigentlich nicht weiter verwunderlich. Kilian hoffte nur, dass sich daraus keine größeren Probleme ergaben.
Der Schnee knirschte unter den Füßen der anrückenden Streitmacht. Eine Windböe strich über den Wehrgang und mehr als einer der angetretenen Soldaten fröstelte. Schneeflocken schwebten aus den Wolken nieder. Zuerst wenige, dann immer mehr. Kilian hob die Hand und fing einige der Schneekristalle mit den Fingern auf.
Jetzt setzt auch noch Schneefall ein, dachte der Söldner missmutig. Der Wehrgang wird bald so glatt sein, dass man auf jeden Schritt achten muss. Perfekt.
Kilian sah Lyra und den alten Faris die Treppe zum Wehrgang hochlaufen und sich unter die Soldaten mischen. Lyra hatte von irgendwoher ein altes Lederwams aufgetrieben. In den Händen hielt sie einen Speer fest umklammert; an ihrem Gürtel baumelten zwei Dolche. Ihr Begleiter trug nur seinen alten Stab bei sich und ansonsten nichts, was man auch nur entfernt als Waffe bezeichnen konnte.
Lyra wandte ihm den Rücken zu und beobachtete angespannt den Moyri-Aufmarsch vor den Mauern. Als er sie endlich erreichte, packte er sie grob
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