Söldnerehre (German Edition)
weiter. Hauptsache, etwas Warmes im Magen.
Vor Beginn der Schlacht hatte er sich schon auf die warme Umarmung einer Varis-Frau gefreut. Natürlich musste sie vorher gefügig gemacht werden, doch das war das Beste daran. Nun ja, morgen war ja auch noch ein Tag und es war undenkbar, dass die Varis zwei Tage hintereinander dem Ansturm von Karok Bulas Streitmacht würden widerstehen können.
Etwas ließ ihn aufschrecken – so ruckartig, dass er seinen Freund und Waffenbruder Melorn neben sich aus seinem unruhigen Schlaf riss.
»Was ist denn?«, fragte dieser schlaftrunken.
»Hast du das nicht gehört?«
»Was denn?«
»Da war etwas. Ich glaube, es waren Schreie.«
»Was denn für Schreie?« Melorn hob lauschend den Kopf. »Ich höre nichts. Der Hunger lässt dich wohl Gespenster sehen.«
»Es klang, als käme es vom nächsten Wachposten. Vielleicht greifen die Varis an?«
Melorn schnaubte belustigt. »Das hättest du wohl gern.«
Pittro gab zu, dass er nun, da er sich darauf konzentrierte, nichts mehr hörte. Er neigte beinahe dazu, Melorn zuzustimmen und sich wieder dem Kaninchen zuzuwenden, als ein durchdringender Schrei durch die Nacht gellte.
Und er kam ganz eindeutig vom nächsten Wachposten.
Und selbst auf die hundert Meter Entfernung war die Mischung aus Angst, Schmerz und Qual deutlich zu hören. Die zwanzig Mann von Pittros Kommando sprangen wie auf ein unsichtbares Zeichen hin auf und griffen nach ihren Waffen. Einige machten Anstalten, zu den in der Nähe angebundenen Pferden zu rennen, um ihren bedrängten Kameraden zu Hilfe zu eilen, doch Pittro rief sie zurück und ermahnte sie zur Ordnung. Angestrengt lauschte er in die Dunkelheit.
»Was ist?«, fragte Melorn argwöhnisch. »Sollten wir ihnen nicht helfen?«
»Ich befürchte, wir haben andere Probleme.«
»Was meinst du?«, wollte sein Freund wissen und folgte seinem Blick. Als er in der pechschwarzen Finsternis nichts zu erkennen vermochte, zuckte er lediglich mit den Achseln. »Ich sehe nichts.«
»Sie sind aber da.«
»Wer? Varis?«
»Leider nicht.«
Ein durchdringendes Knurren ließ die Männer herumfahren. Zwischen den Bäumen funkelten drei Paar Augen die Männer gierig an. Die Gestalten, zu denen die Augenpaare gehörten, kamen langsam und bedächtig näher. Als sie in den Lichtschein des Feuers traten, schreckten die Moyri-Soldaten angewidert und schockiert zurück.
Pittro biss sich aus Versehen auf die eigene Zunge, als die Wesen sie ebenso fasziniert musterten wie die Soldaten die Neuankömmlinge. Er schmeckte den metallischen Geschmack von Blut im Mund.
Es waren anscheinend Tiere – oder waren es vermutlich einmal gewesen. Der Anführer hatte entfernt Ähnlichkeit mit einem Tiger, die beiden anderen mit einem Bären und einem Panther. Sie gingen auf zwei Beinen, schienen aber durchaus in der Lage, sich auch auf vieren fortzubewegen.
Die Schreie aus dem anderen Wachposten hatten inzwischen gänzlich aufgehört. Doch ganz plötzlich brach Tumult bei dem Wachposten auf der anderen Seite aus. Pittro riskierte einen schnellen Blick und trotz der Entfernung erkannte er im Lichtkegel des Lagerfeuers kämpfende Gestalten. Und einige Gestalten schienen einem Albtraum entstiegen zu sein. Etwas Übernatürliches ging hier vor, etwas, mit dem er lieber gar nichts zu tun haben wollte.
Der Tiger – offenbar der Anführer – kam vorsichtig einen Schritt näher. Schaudernd bemerkte Pittro, dass das Wesen ihn mit Unheil verkündender Intelligenz im einzig unversehrten Auge musterte, mit einem Ausdruck, der ihm ganz und gar nicht behagte. Er vermochte sich vorzustellen, dass seine Leute und er das Kaninchen, das nun über dem Feuer briet, auf genau dieselbe Art und Weise betrachtet hatten – bevor sie ihm das Fell abgezogen hatten.
»Bleibt in der Nähe des Feuers«, flüsterte er seinen Männern zu. Zu seinem Entsetzen bemerkte er, dass ihm einige gar nicht zuhörten, sondern nur die Wesen vor ihnen anstarrten, vor Angst erstarrt.
Die Männer machten sich kampfbereit, zumindest diejenigen, die noch dazu in der Lage waren. Plötzlich bemerkte er ein amüsiertes Funkeln im Auge des Tigers. Pittro erstarrte mitten in der Bewegung. Das Vieh wusste ganz genau, was sie vorhatten – und es machte sich deswegen absolut keine Sorgen. Im Gegenteil: Es verspottete sie sogar. Die Wesen warteten, ganz so, als wollten sie sagen: »Nur zu. Trefft eure Vorbereitungen. Ihr werdet ohnehin sterben.«
Ein nicht unbedingt ermutigender Gedanke.
Aber
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