Söldnerehre (German Edition)
Eriakum nicht mehr. Seit Ende der Schlacht hatte sie den anderen Frauen und einigen der älteren Kinder dabei geholfen, die Verwundeten zu versorgen, die Toten zu bestatten und die gröbsten Schäden der Kämpfe wieder halbwegs instand zu setzen.
Anschließend hatte sie ein karges Nachtmahl aus Brot, Wasser und einem kleinen Stück Fleisch zu sich genommen. Woher das Fleisch kam oder was es zu Lebzeiten für ein Tier gewesen sein mochte, wollte sie lieber gar nicht wissen.
Sie hob den Kopf und lauschte. Es hatte zu regnen begonnen und die Tropfen trommelten beinahe gleichmäßig auf das Spitzdach des Westturms. Es hatte etwas Beruhigendes und sie gönnte es ihrem malträtierten Körper, sich zu entspannen.
Die meisten Frauen und Kinder, die es sich im Westturm bequem gemacht hatten, schliefen bereits tief und fest. Es brannten nur noch wenige Fackeln und sie warfen unruhige Schemen an die Wand. Etwas entfernt auf einem Schemel, der viel zu klein für seine massige Gestalt schien, saß Darian und unterhielt sich mit der kleinen Saria. Die beiden ungleichen Charaktere verband inzwischen eine innige Freundschaft und der Anblick der zwei zauberte ein Lächeln auf Lyras Gesicht.
Seit Darian sich um Saria kümmerte, waren die Albträume wesentlich seltener geworden. Es war, als würde der Hüne über die Träume des Mädchens wachen.
Lyra kicherte.
Kein Wunder, dass sich nachts keine Monster mehr ins Sarias Träume schlichen. Wer wäre schon so töricht, sich mit dem riesenhaften Axtkämpfer anzulegen.
Während sie den beiden noch einen liebevollen Blick zuwarf, schlüpfte sie unter ihre Decke, kuschelte sich zusammen und schloss die Augen.
Ein Schrei gellte durch die Nacht.
Lyra riss reflexartig die Augen auf. Im ersten Moment glaubte sie, sich den Schrei nur eingebildet zu haben. Ein weiterer Schrei ertönte, eindeutig der einer Frau. Sie schlug die Decke beiseite und schnellte hoch. Noch bevor sie ganz aufrecht stand, hielt sie in jeder Hand einen ihrer Dolche. Sie konnte sich jedoch nicht erinnern, sie gezogen zu haben.
Tumult brach aus. Schlaftrunkene Gestalten wälzten sich aus ihren Decken und blickten sich gegenseitig ratlos an.
Weitere Schreie erklangen.
Darian war aufgesprungen, die Axt wirkte klein in seinen Händen, doch deswegen nicht weniger tödlich. Saria saß neben ihm auf dem Boden und hielt sich die Ohren zu, die Augen fest zugekniffen.
Der Anblick beruhigte sie. Sie hoffte nur, die Kleine würde in Darians Nähe bleiben. Dort war im Moment der sicherste Platz der ganzen Abtei.
Erneut schrie jemand vor Schreck und Schmerz schrill auf. Dieses Mal konnte sie die Richtung ungefähr bestimmen. Es kam aus einem der Nebenräume. Ohne nachzudenken, lief sie los.
Doch bevor sie die Tür erreichte, wurde diese aufgestoßen. Lyra blieb schlagartig stehen und wich erschrocken mehrere Schritte zurück. Riesige Pranken, eine wolfsähnliche Fratze mit hasserfüllten, gelben Augen und gebleckten Zähnen, schmutzig graues, gesträubtes Fell. Vor ihr stand ein Wesen, wie sie noch keines zuvor gesehen hatte. Es blickte mit unheilvoller Intelligenz auf sie herab – und schlug zu.
Die Pranke verfehlte sie nur um Haaresbreite und erwischte dafür eine Frau zu ihrer Rechten. Die Kehle der Unglücklichen wurde zerfetzt. Aus der offenen Wunde sprudelte Blut und besudelte den Boden und das Fell der Kreatur. Das Werwesen schien sich darüber sogar noch zu freuen.
Jetzt brach endgültig Panik aus. Menschen schrien und liefen wild durcheinander. Eine junge Stimme schrie: »Monster!« Lyra glaubte, Sarias Stimme zu erkennen.
Sie bewegte sich rückwärts, ließ die Wolfskreatur dabei keinen Augenblick aus den Augen. Ihr Fuß stieß gegen etwas. Sie versuchte noch, ihr Gleichgewicht zu halten, doch es war zu spät. Sie fiel rücklings und landete unsanft auf dem kalten Steinboden.
Der Wolfsdämon kam langsam näher. Er hatte es nicht eilig. Auf seinem Weg tötete er jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Ein Varis-Soldat stürzte mit erhobenem Schwert auf ihn zu. Der Wolf wischte die Klinge einfach beiseite, hob den kreischenden und wild zappelnden Mann in die Luft und biss ihm die Kehle durch. Anschließend warf er ihn achtlos beiseite. Der ganze Vorgang dauerte keine fünf Sekunden.
Lyra kroch von dem Biest weg. In einer Hand hielt sie immer noch einen Dolch, den anderen hatte sie längst verloren. Es war ohnehin nicht wichtig. Ihre Waffen wirkten viel zu ungenügend, um mit diesem Vieh fertigzuwerden.
Der
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