Söldnerehre (German Edition)
falls Pittro schon sterben musste, so wollte er wenigstens selbst entscheiden, wann, wo und wie dies zu geschehen hatte. Er hob leicht die Hand und machte sich bereit, den Befehl zum Angriff zu geben. Doch der Tiger kam ihm zuvor.
Das Wesen knurrte einmal, ein erschreckend menschlich wirkender Laut, und die drei Tiere griffen an.
Melorn starb bereits in den ersten Sekunden des Kampfes. Der Bär holte mit der gewaltigen Pranke aus und schlug ihm einfach den Kopf von den Schultern. Der Speer in den Händen des Kriegers hatte ihm nichts genutzt. Genauso gut hätte er einen Zahnstocher in Händen halten können.
Die Männer, die vor Angst erstarrt waren, starben schnell und grauenhaft. Die Wesen zerfetzten sie ohne große Mühe. Blut, das bis vor Kurzem durch die Adern eines seiner Männer geflossen war, spritzte ihm ins Gesicht und nahm ihm für einen Sekundenbruchteil die Sicht.
Als er wieder halbwegs klar sehen konnte, war der Kampf auch schon fast vorbei. Außer ihm selbst standen noch vier andere Krieger. Zwei bedrängten den Bären mit ihren Speeren, einer stellte sich mit seinem Schwert dem Panther und der letzte schlug verzweifelt mit einer Axt nach dem Tiger.
Da der Tiger der Anführer war, entschied Pittro, sich an diesem Kampf zu beteiligen. Gut möglich, dass die anderen das Weite suchten, wenn sie den Anführer erledigten. So etwas wie Hoffnung, diese Nacht doch noch zu überleben, keimte in dem Moyri auf und mit einem Schlachtruf auf den Lippen schwang er sein Schwert und stürzte sich in den Kampf.
Der Hieb war eigentlich auf den Kopf des Tigers gezielt, um die Auseinandersetzung möglichst schnell zu beenden, doch das Wesen erkannte die Absicht und wich geschwind seitlich aus, wobei es den Axtkämpfer nicht nur als Deckung benutzte, sondern ihm im Vorbeigehen auch noch die Pranke mit den rasiermesserscharfen Klauen über das Gesicht zog.
Der Mann schrie erbärmlich auf, ließ die Axt fallen und versuchte, den hervorquellenden Blutstrom aus seinem zerstörten Gesicht einzudämmen. Der Tiger holte nur einmal mit seinem muskelbepackten Arm aus und schleuderte den armen Kerl mit einem Rückhandschlag hoch durch die Luft. Bereits in dem Moment, in dem der Schlag den Krieger traf, hörte dessen Heulen auf und Pittro vernahm das ekelerregende Geräusch berstender Knochen.
Aus dem Augenwinkel bekam er mit, wie der Panther seinem Gegner das Schwert aus der Hand riss, sich vorbeugte und dem Moyri den Kopf abbiss. Hinter sich heulte der Bär siegessicher auf, kurz darauf vernahm er ein klatschendes, matschiges Geräusch und gleich darauf Fresslaute.
Er war allein.
Pittro belauerte den Tiger, der keine Anstalten machte, ihn anzugreifen. Warum sollte er auch? Der Tiger hatte alle Zeit der Welt. Pittro glaubte, ein höhnisches Lächeln auf dem Gesicht seines unmenschlichen Gegners wahrzunehmen.
»Na komm schon«, forderte er die Kreatur auf. »Komm schon, du verdammte Missgeburt.«
Bei dem Wort Missgeburt schnaubte der Tiger wütend. Die Kreatur fuhr sämtliche Krallen zu beängstigender Länge aus.
Pittro warf den unscharfen Umrissen der Abtei noch einen letzten Blick zu.
Dann wird’s wohl doch nichts mit dem warmen Fleisch einer Varis-Frau, dachte er missmutig. Er hob das Schwert und mit einem letzten Gebrüll warf er sich dem Feind entgegen.
* * *
Die Werwesen versammelten sich um ihren Anführer. Alle fühlten sich seltsam beschwingt von dem Blut, das sie vergossen und genossen hatten. Ihre Schnauzen waren blutverschmiert. Sie hatten zwar ihren ersten Heißhunger gestillt, aber die Nacht war noch jung und sie wollten noch mehr Blut, noch viel mehr Blut.
Der Tiger hob die Schnauze aus den Überresten des Moyri-Kriegers, der vor Kurzem noch Pittro gewesen war, und schlang ein riesiges Fleischstück hinunter.
Ihre Aufgabe stand kurz vor der Vollendung. Sie alle spürten es. Sie waren der Witterung bis hierher gefolgt. Ihre Beute – der Grund, aus dem sie hier waren, der Grund, aus dem sie überhaupt existierten – befand sich hinter diesen Mauern. Heute Nacht würde es enden.
Der Tiger stieß ein markerschütterndes Gebrüll an und lief los; die Meute folgte ihm. Kurz bevor sie die Mauer erreichten, stießen sie sich vom Boden ab. Mit ihren Krallen fanden sie selbst in den kleinsten Spalten zwischen den Steinen Halt. Und so kletterten sie geschmeidig und von den Varis unbemerkt den Wall hoch.
* * *
Lyra fühlte sich so ausgelaugt und müde wie seit ihrer überstürzten Flucht aus
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