Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Menschen das auch wieder ändern.«
»Da stimme ich durchaus zu.«
»Locke war einer der ersten Philosophen der neueren Zeit, der sich mit der Frage der Geschlechterrollen beschäftigte. Es war später von großer Bedeutung für seinen Namensvetter John Stuart Mill , der wiederum für die Gleichberechtigung der Geschlechter sehr wichtig war. Locke äußerte überhaupt sehr früh viele liberale Gedanken, die erst während der französischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts ihre volle Wirkung entfalteten. Zum Beispiel hat er als Erster das so genannte Prinzip der Gewaltenteilung propagiert ...«
»Das bedeutet, dass die staatliche Macht auf verschiedene Institutionen verteilt ist.«
»Weißt du noch, um welche Institutionen es hier geht?«
»Es gibt die ›Legislative‹ oder das Parlament. Dann gibt es die ›Judikative‹ oder die Gerichte. Und schließlich gibt es die ›Exekutive‹ oder die Regierung.«
»Diese Dreiteilung stammt von dem französischen Aufklärungsphilosophen Montesquieu . Locke hatte vor allem betont, dass Legislative und Exekutive voneinander getrennt sein müssen, wenn wir die Tyrannei verhindern wollen. Er lebte gleichzeitig mit Ludwig XIV., der alle Macht in einer Hand vereint hatte. ›Der Staat bin ich‹, sagte er. Wir bezeichnen ihn als absoluten Herrscher und würden, was ›seinen‹ Staat betrifft, eher von rechtlosen Zuständen sprechen. Um einen Rechtsstaat zu sichern, müssen die Vertreter des Volkes die Gesetze erlassen, die dann von König und Regierung ausgeführt werden, meinte dagegen Locke.«
Hume
... so werft ihn ins Feuer ...
Alberto starrte auf den Tisch zwischen ihnen. Einmal drehte er sich um und sah aus dem Fenster.
»Es bewölkt sich«, sagte Sofie.
»Ja, es ist schwül.«
»Erzählst du jetzt von Berkeley?«
»Er war der Zweite der drei britischen Empiriker. Aber da er in vieler Hinsicht eine Sache für sich ist, werden wir uns zuerst auf David Hume konzentrieren, der von 1711 bis 1776 lebte. Seine Philosophie gilt heute als die wichtigste empiristische Philosophie. Von wesentlicher Bedeutung war er auch, weil er den großen Philosophen Immanuel Kant zu seiner eigenen Philosophie inspirierte.«
»Und es spielt keine Rolle, dass mich Berkeleys Philosophie viel mehr interessiert?«
»Das spielt keine Rolle, nein. Hume wuchs in der Nähe von Edinburgh in Schottland auf und seine Familie wollte gern einen Juristen aus ihm machen. Er selber aber behauptete, ›eine unüberwindliche Abneigung gegen alles außer gegen Philosophie und allgemeine Gelehrsamkeit‹ zu verspüren. Er lebte, wie die großen französischen Denker Voltaire und Rousseau , mitten in der Zeit der Aufklärung und unternahm ausgedehnte Reisen durch Europa, ehe er sich wieder in Edinburgh niederließ. Sein wichtigstes Werk, ›Ein Traktat über die menschliche Natur‹, erschien, als Hume achtundzwanzig Jahre alt war. Er selber behauptete, die Idee zu diesem Buch sei ihm schon mit fünfzehn Jahren gekommen.«
»Ich sehe schon, ich muss mich beeilen.«
»Du bist doch schon dabei.«
»Aber wenn ich meine eigene Philosophie machen soll, dann wird die ganz anders aussehen als das, was ich bisher gehört habe.«
»Vermisst du etwas Besonderes?«
»Erstens waren alle Philosophen, von denen ich bisher gehört habe, Männer. Und Männer scheinen in ihrer eigenen Welt zu leben. Mich interessiert die wirkliche Welt mehr. Blumen und Tiere und Kinder, die geboren werden und heranwachsen. Deine Philosophen reden dauernd vom Menschen und immer wieder kommt eine Abhandlung über die Natur des Menschen. Aber dieser Mensch scheint fast immer ein Mann in mittleren Jahren zu sein. Das Leben beginnt trotz allem mit Schwangerschaft und Geburt. Ich finde, bisher hat es zu wenig Windeln und Kindergeschrei gegeben. Vielleicht gab es auch zu wenig Liebe und Freundschaft.«
»Da hast du natürlich ganz Recht. Aber vielleicht ist gerade Hume ein Philosoph, der etwas anders denkt. Mehr als jeder andere nimmt er seinen Ausgang von der Alltagswelt. Ich glaube außerdem, dass Hume sehr viel Gespür dafür hatte, wie Kinder – also die neuen Weltbürger – das Dasein erleben.«
»Ich werde mich zusammenreißen.«
»Als Empiriker betrachtete Hume es als seine Aufgabe, alle unklaren Begriffe und Gedankenkonstruktionen abzuschaffen, die deine Männer sich bis dahin ausgedacht hatten. Damals war in Schrift und Gespräch allerlei altes Treibholz aus dem Mittelalter und aus den rationalistischen Philosophien des 17.
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