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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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hat zu Schere und Klebstoff gegriffen und auf diese Weise falsche Vorstellungen konstruiert.«
    »Ich verstehe. Jetzt begreife ich auch, dass das wichtig sein kann.«
    »Gut. Hume will also jede einzelne Vorstellung untersuchen, um herauszufinden, ob sie auf eine Weise zusammengesetzt ist, die wir nicht in der Wirklichkeit finden. Er fragt: Aus welchen Eindrücken stammt diese Vorstellung? Zuallererst muss er dazu feststellen, aus welchen einfachen Vorstellungen ein Begriff zusammengesetzt ist. Auf diese Weise bekommt er eine kritische Methode, um die menschlichen Vorstellungen zu analysieren. Und auf diese Weise will er in unseren Gedanken und Vorstellungen aufräumen.«
    »Hast du ein oder zwei Beispiele?«
    »Zu Humes Zeiten hatten viele Menschen eine klare Vorstellung vom Himmel. Du weißt vielleicht noch, dass Descartes erklärt hatte, dass klare und deutliche Vorstellungen in sich eine Garantie dafür sein könnten, dass in der Wirklichkeit eine Entsprechung existiert.«
    »Wie gesagt, ich bin nicht besonders vergesslich.«
    »Uns geht bald auf, dass ›Himmel‹ eine ungeheuer zusammengesetzte Vorstellung ist. Wir wollen nur einige Elemente erwähnen: Im ›Himmel‹ gibt es ein ›Perlentor‹, es gibt ›Straßen aus Gold‹ und ›Heerscharen von Engeln‹ – und so weiter. Aber wir haben noch nicht alles in seine einzelnen Faktoren aufgelöst. Denn auch ›Perlentor‹, ›Straßen aus Gold‹ und ›Heerscharen von Engeln‹ sind ja zusammengesetzte Vorstellungen. Erst wenn wir feststellen, dass unsere zusammengesetzte Vorstellung vom Himmel aus einfachen Vorstellungen wie ›Perle‹, ›Tor‹, ›Straße‹, ›Gold‹, ›weiß bekleidete Gestalt‹ und ›Flügel‹ besteht, können wir fragen, ob wir wirklich schon einmal entsprechende ›einfache Eindrücke‹ bekommen haben.«
    »Und das haben wir. Aber dann haben wir alle einfachen Eindrücke zu einem Traumbild zusammengeklebt.«
    »Ja, genau. Denn wenn wir Menschen träumen, dann benutzen wir sozusagen Schere und Klebstoff. Aber Hume betont, dass alle Materialien, aus denen wir unsere Traumbilder zusammensetzen, irgendwann einmal als einfache Eindrücke in unser Bewusstsein gelangt sind. Jemand, der nie Gold gesehen hat, wird sich auch keine Straße aus Gold vorstellen können.«
    »Der ist ganz schön clever. Was ist mit Descartes und dessen deutlicher Vorstellung von Gott?«
    »Auch darauf hat Hume eine Antwort. Sagen wir, wir stellen uns Gott als unendlich intelligentes, kluges und gutes Wesen vor. Wir haben also eine zusammengesetzte Vorstellung, die aus etwas unendlich Klugem, unendlich Intelligentem und unendlich Gutem besteht. Wenn wir niemals Intelligenz, Klugheit und Güte erlebt hätten, dann könnten wir auch niemals einen solchen Gottesbegriff haben. Vielleicht liegt es auch in unserer Vorstellung von Gott, dass er ein strenger, aber gerechter Vater ist – also eine Vorstellung, die zusammengesetzt ist aus ›streng‹, ›gerecht‹ und ›Vater‹. Nach Hume haben viele Religionskritiker gerade darauf hingewiesen: dass nämlich eine solche Gottesvorstellung sich darauf zurückführen lässt, wie wir als Kind unseren eigenen Vater erlebt haben. Die Vorstellung von einem Vater habe zur Vorstellung eines Vaters im Himmel geführt, sagte man.«
    »Das stimmt ja vielleicht auch. Aber ich habe nie akzeptiert, dass Gott unbedingt ein Mann sein muss. Zum Ausgleich sagt Mama manchmal ›Göttin sei Dank‹ oder so.«
    »Hume will also alle Gedanken und Vorstellungen angreifen, die sich nicht auf entsprechende Sinneseindrücke zurückführen lassen. Er wolle das sinnlose Kauderwelsch, das so lange das metaphysische Denken beherrscht und in Misskredit gebracht habe, verjagen, sagte er. Aber auch im Alltag verwenden wir zusammengesetzte Begriffe, ohne uns zu fragen, ob sie überhaupt Gültigkeit besitzen. Das ist zum Beispiel der Fall bei der Vorstellung eines Ichs oder eines Persönlichkeitskerns. Diese Vorstellung bildete doch die Grundlage für die Philosophie von Descartes. Es war die eine klare und deutliche Vorstellung, auf der seine gesamte Philosophie aufbaute.«
    »Ich hoffe nicht, dass Hume versuchen wollte, zu leugnen, dass ich ich bin. Dann wäre er einfach nur noch ein Quasselkopf.«
    »Sofie, wenn ich will, dass du bei diesem Philosophiekurs auch nur eins lernst, dann, dass du keine zu raschen Schlussfolgerungen ziehen darfst.«
    »Mach weiter.«
    »Nein, du kannst selber Humes Methode anwenden, um zu analysieren, was du als

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