Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Vater?
Hilde stürzte ins Erdgeschoß, um sich das größere Lexikon vorzunehmen.
»Ich muss nur kurz was nachsehen«, erklärte sie ihrer verdutzten Mutter.
Sie nahm sich den Band FORV bis GP und rannte damit wieder auf ihr Zimmer.
Gouges ... ja, da!
Gouges, Marie Olympe (1748–93), frz. Schriftstellerin, war während der Frz. Revolution sehr aktiv, u.a. durch zahlreiche Broschüren über soziale Fragen und eine Reihe von Theaterstücken. Sie vertrat als eine von wenigen die Ansicht, dass die Menschenrechte auch für Frauen gelten sollten, und veröffentlichte 1791 »Die Erklärung der Frauenrechte«. 1793 hingerichtet, da sie es gewagt hatte, Ludwig XVI. zu verteidigen und Robespierre zu kritisieren. (Lit: L. Lacour: »Les Origines du féminisme contemporain«, 1900)
Kant
... der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir ...
Erst gegen Mitternacht rief Major Albert Knag zu Hause an, um Hilde zum Geburtstag zu gratulieren.
Hildes Mutter ging ans Telefon.
»Für dich, Hilde.«
»Hallo?«
»Hier ist Papa.«
»Sag mal – es ist doch fast zwölf!«
»Ich wollte dir nur zum Geburtstag gratulieren ...«
»Das machst du doch schon den ganzen Tag.«
»... aber ich wollte erst anrufen, wenn der Tag schon vorbei ist.«
»Wieso denn das?«
»Hast du das Geschenk nicht bekommen?«
»Ach das! Doch, tausend Dank!«
»Nun quäl mich doch nicht. Was sagst du dazu?«
»Es ist phantastisch. Ich hab fast den ganzen Tag nichts gegessen!«
»Du musst aber essen.«
»Aber es ist so spannend.«
»Wie weit bist du denn schon?«
»Sie sind ins Haus gegangen, weil du sie mit einer Seeschlange aufgezogen hast ...«
»Die Aufklärung.«
»Und Olympe de Gouges.«
»Dann habe ich mich ja doch nicht so geirrt.«
»Was meinst du mit ›geirrt‹?«
»Ich glaube, jetzt fehlt nur noch ein Glückwunsch. Aber der hat zum Ausgleich sogar Töne.«
»Ich werde im Bett weiterlesen, bis ich einschlafe.«
»Verstehst du denn etwas?«
»Ich habe heute mehr gelernt als ... als irgendwann sonst. Es ist unglaublich, dass es keinen Tag her ist, seit Sofie nach Hause gekommen ist und den ersten Brief gefunden hat.«
»Seltsam, wie wenig manchmal nötig ist ...«
»Aber sie tut mir ein bisschen Leid.«
»Wer?«
»Sofie natürlich.«
»Ach ...«
»Sie ist doch total verwirrt, die Arme.«
»Aber sie ist doch bloß... ich meine ...«
»Du meinst, dass du sie dir nur ausgedacht hast.«
»So ähnlich, ja.«
»Ich glaube, dass es Sofie und Alberto gibt.«
»Wir reden darüber, wenn ich zu Hause bin.«
»Ja.«
»Und ich wünsche dir noch einen schönen Tag.«
»Was hast du gesagt?«
»Gute Nacht, meine ich.«
»Gute Nacht!«
Als Hilde eine halbe Stunde später schlafen ging, war es draußen noch immer so hell, dass sie weit über den Garten und die Bucht blicken konnte. In dieser Jahreszeit wurde es nicht dunkel.
Sie spielte ein wenig mit dem Gedanken, wie es wäre, in einem Bild zu leben, das in einer kleinen Hütte im Wald an der Wand hing. Ob sie wohl aus dem Bild heraus und in das hineinschauen könnte, was draußen war?
Ehe sie einschlief, las sie weiter in dem großen Ordner.
Sofie legte den Brief von Hildes Vater zurück auf den Kaminsims.
»Das mit der UNO mag wichtig sein«, sagte Alberto, »aber es gefällt mir nicht, dass er sich in meine Darstellung einmischt.«
»Ich finde, du solltest das nicht so schwer nehmen.«
»Von nun an werde ich jedenfalls alle außergewöhnlichen Phänomene wie Seeschlangen oder so übersehen. Wir setzen uns ans Fenster und ich erzähle dir von Kant.«
Sofie entdeckte eine Brille auf einem kleinen Tisch zwischen zwei Sesseln. Sie registrierte auch, dass beide Brillengläser rot waren. Ob das eine starke Sonnenbrille war?
»Es ist fast zwei«, sagte sie. »Ich muss spätestens um fünf zu Hause sein. Meine Mutter hat sicher Pläne für meinen Geburtstag.«
»Dann haben wir drei Stunden.«
»Also los.«
» Immanuel Kant wurde 1724 in der ostpreußischen Stadt Königsberg als Sohn eines Sattlers geboren. Er verbrachte hier fast sein ganzes Leben bis zu seinem Tod im Alter von achtzig Jahren. Er kam aus einem streng christlichen Zuhause. Seine christliche Überzeugung war deshalb auch eine wichtige Grundlage für seine Philosophie. Wie Berkeley wollte auch er das Fundament des christlichen Glaubens retten.«
»Von Berkeley weiß ich jetzt genug, danke.«
»Kant war auch der Erste von den Philosophen, die wir behandelt haben, der an einer Universität als
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