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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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selbstverständlich davon ausgegangen waren, dass es nur einen Grundstoff gäbe. Wenn das stimmte, dann wäre der Abgrund zwischen dem, was die Vernunft sagt, und dem, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, unüberbrückbar.
    Wasser kann natürlich nicht zu einem Fisch oder zu einem Schmetterling werden. Das Wasser kann sich überhaupt nicht verändern. Sauberes Wasser bleibt bis in alle Ewigkeit sauberes Wasser. Also hatte Parmenides damit Recht, dass nichts sich verändert. Gleichzeitig stimmte Empedokles Heraklit darin zu, dass wir dem vertrauen müssen, was unsere Sinne uns erzählen. Wir müssen glauben, was wir sehen, und wir sehen nun einmal dauernde Veränderungen in der Natur.
    Empedokles kam zu der Erkenntnis, dass die Vorstellung des einen, einzigen Urstoffes verworfen werden musste. Weder Wasser noch Luft können sich allein in einen Rosenbusch oder einen Schmetterling verwandeln. Die Natur kann also unmöglich mit nur einem Grundstoff auskommen.
    Empedokles glaubte, die Natur habe insgesamt vier Urstoffe oder »Wurzeln«, wie er das nannte. Diese vier Wurzeln nannte er Erde, Luft, Feuer und Wasser .
    Alle Veränderungen in der Natur ergeben sich dadurch, dass die vier Stoffe sich mischen und wieder voneinander trennen. Denn alles besteht aus Erde, Luft, Feuer und Wasser, nur eben in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen. Wenn eine Blume oder ein Tier stirbt, trennen die vier Stoffe sich wieder voneinander. Diese Veränderung können wir mit bloßem Auge wahrnehmen. Aber Erde und Luft, Feuer und Wasser bleiben ganz unverändert oder unberührt von allen Mischungen, in die sie eingehen. Es stimmt also nicht, dass »alles« sich verändert. Im Grunde verändert sich gar nichts. Was geschieht, ist einfach nur, dass sich vier verschiedene Stoffe mischen und wieder trennen – um sich dann wieder zu mischen.
    Wir können das vielleicht mit einem Kunstmaler vergleichen. Wenn er nur eine Farbe hat – Rot zum Beispiel –, kann er keine grünen Bäume malen. Aber wenn er Gelb, Rot, Blau und Schwarz hat, kann er viele Hunderte von verschiedenen Farben malen, weil er die Farben in verschiedenen Verhältnissen mischt.
    Ein Beispiel aus der Küche zeigt uns dasselbe. Wenn ich nur Mehl habe, müsste ich ein Zauberer sein, um daraus einen Kuchen zu backen. Aber wenn ich Eier und Mehl, Milch und Zucker habe – dann kann ich aus den vier Rohstoffen viele verschiedene Kuchen herstellen.
    Es war kein Zufall, dass Empedokles gerade Erde, Luft, Feuer und Wasser für die Wurzeln der Natur hielt. Vor ihm hatten andere Philosophen den Beweis versucht, dass der Urstoff entweder Wasser, Luft oder Feuer sein musste. Dass Wasser und Luft wichtige Elemente in der Natur sind, hatten Thales und Anaximenes betont. Die Griechen hielten auch das Feuer für wichtig. Sie sahen zum Beispiel die Bedeutung der Sonne für alles Leben in der Natur und natürlich kannten sie die Körperwärme von Menschen und Tieren.
    Vielleicht hat Empedokles ein Stück Holz verbrennen sehen. Und dabei geht ja gerade etwas in Auflösung über. Wir hören es im Holz knistern und blubbern. Das ist das Wasser. Etwas wird zu Rauch. Das ist die Luft. Das Feuer sehen wir ja. Und wenn die Flammen verlöschen, bleibt etwas liegen. Das ist die Asche – oder die Erde.
    Nachdem Empedokles aufgezeigt hat, dass die Veränderungen der Natur dadurch entstehen, dass sich die vier Wurzeln vermischen und wieder trennen, bleibt noch immer eine Frage offen: Was ist die Ursache dafür, dass die Stoffe sich zusammenfügen, damit neues Leben entsteht? Und was sorgt dafür, dass die »Mischung«, eine Blume zum Beispiel, sich wieder auflöst?
    Empedokles meinte, dass in der Natur zwei verschiedene Kräfte wirken müssen. Diese Kräfte nannte er Liebe und Streit . Was die Dinge verbindet, ist die Liebe, was sie auflöst, der Streit.
    Empedokles unterscheidet also zwischen Stoff und Kraft . Es lohnt sich, wenn wir uns das merken. Noch heute unterscheidet die Wissenschaft Grundstoffe und Naturkräfte . Die moderne Wissenschaft glaubt, alle Naturprozesse als Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Grundstoffen und einigen wenigen Naturkräften erklären zu können.
    Empedokles hat sich auch der Frage zugewandt, was passiert, wenn wir etwas empfinden. Wie kann ich zum Beispiel eine Blume »sehen«? Was geht dabei vor sich? Hast du dir das schon einmal überlegt, Sofie? Wenn nicht, dann hast du jetzt die Gelegenheit dazu.
    Empedokles glaubte, dass unsere Augen wie alles andere in

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