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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ist. Er ist nämlich kein Nihilist .«
    »Was ist das?«
    »Jemand, der meint, dass nichts etwas bedeutet und dass alles erlaubt ist. Sartre meint, dass das Leben eine Bedeutung haben muss . Das ist ein Imperativ. Aber wir selber müssen diese Bedeutung, diesen Sinn für unser eigenes Leben schaffen. Existieren heißt, sich sein eigenes Dasein zu erschaffen.«
    »Kannst du das ein bisschen genauer erklären?«
    »Sartre versucht zu beweisen, dass das Bewusstsein nichts ist, ehe es nichts empfindet. Denn Bewusstsein ist immer das Bewusstsein von etwas. Und was dieses ›Etwas‹ ist, hängt ebenso sehr von uns selber ab wie von unserer Umgebung. Wir tragen selber dazu bei, was wir empfinden, denn wir wählen das aus, was für uns von Bedeutung ist.«
    »Weißt du kein Beispiel?«
    »Zwei Menschen können im selben Raum anwesend sein und das doch völlig unterschiedlich erleben. Und zwar, weil wir unsere Meinung – oder unsere Interessen – mitwirken lassen, wenn wir unsere Umgebung wahrnehmen. Eine Schwangere kann zum Beispiel das Gefühl haben, überall andere Schwangere zu sehen. Das bedeutet nicht, dass vorher keine da waren, aber die Schwangerschaft hat jetzt für sie eine neue Bedeutung. Kranke sehen vielleicht überall Krankenwagen ...«
    »Ich verstehe.«
    »Unser eigenes Dasein prägt vielleicht auch die Art und Weise, in der wir die Dinge in einem Zimmer wahrnehmen. Wenn etwas unwichtig für mich ist, ja, dann sehe ich es nicht. Und jetzt kann ich dir vielleicht erklären, warum ich vorhin zu spät gekommen bin.«
    »Du hast gesagt, es wäre Absicht gewesen?«
    »Erzähl mir erst, was du gesehen hast, als du ins Café gekommen bist.«
    »Als Erstes habe ich gesehen, dass du nicht hier warst.«
    »Ist es nicht ein bisschen komisch, dass du in diesem Lokal als Erstes etwas gesehen hast, was gar nicht da war?«
    »Vielleicht, aber ich war ja mit dir verabredet.«
    »Sartre benutzt gerade so einen Café-Besuch, um zu erklären, wie wir das ›vernichten‹, was für uns keine Bedeutung hat.«
    »Und bist du nur zu spät gekommen, um das vorzuführen?«
    »Ich wollte, dass du diesen wichtigen Punkt in Sartres Philosophie begreifst, ja. Du kannst es als Übungsaufgabe betrachten.«
    »Pfui Spinne!«
    »Wenn du verliebt bist und auf einen Anruf von deinem Angebeteten wartest, dann ›hörst‹ du vielleicht den ganzen Abend, dass er nicht anruft. Gerade dass er nicht anruft, ist etwas, das du die ganze Zeit registrierst. Wenn du ihn vom Zug abholen willst und sich eine Lawine von Menschen über den Bahnsteig ergießt, ohne dass du deinen Liebsten entdecken kannst – dann siehst du diese ganzen Menschen gar nicht. Sie stören nur, sind unwesentlich für dich. Vielleicht findest du sie geradezu ekelhaft und widerlich. Sie machen sich so schrecklich breit. Das Einzige, was du registrierst, ist, dass er nicht da ist.«
    »Ich verstehe.«
    »Simone de Beauvoir hat versucht, den Existenzialismus auf die Analyse der Geschlechterrollen anzuwenden. Sartre hatte ja erklärt, dass der Mensch sich nicht auf eine ewige Natur berufen kann. Wir selber erschaffen das, was wir sind.«
    »Und?«
    »Das gilt auch für unsere Vorstellung von den Geschlechtern. Simone de Beauvoir hat gezeigt, dass es keine ewige ›Frauen-‹ oder ›Männernatur‹ gibt. Aber gerade das ist die herkömmliche Auffassung. Zum Beispiel ist immer wieder behauptet worden, der Mann habe eine ›transzendente‹, das heißt Grenzen überschreitende Natur. Deshalb müsse und werde er sich außerhalb seines Zuhauses einen Sinn und ein Ziel suchen. Von der Frau hieß es, sie habe die genau entgegengesetzte Lebensorientierung. Sie sei ›immanent‹, das heißt, sie wolle immer da sein, wo sie schon ist. Sie wolle und müsse sich um die Familie, die Natur und die Dinge in ihrer Nähe kümmern. Heute hört man oft, die Frau sei eher für die ›sanften Werte‹ zuständig als der Mann.«
    »Hat Simone de Beauvoir das wirklich gemeint?«
    »Nein, jetzt hast du ausnahmsweise schlecht zugehört. Simone de Beauvoir meinte gerade, dass es keine solche Frauen- oder Männernatur gibt. Ganz im Gegenteil: Sie glaubte, dass Frauen und Männer sich von solchen fest verwurzelten Vorurteilen oder Idealen unbedingt befreien müssten.«
    »Da stimme ich ihr von Herzen zu.«
    »Ihr wichtigstes Buch erschien 1949 und hatte den Titel ›Das andere Geschlecht‹.«
    »Wie meinte sie das?«
    »Sie dachte an die Frau. Sie sei in unserer Kultur erst zum ›anderen Geschlecht‹

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