Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
zustimmen.«
    »Weiter behauptet Sartre, dass die Existenz des Menschen jeglicher Bedeutung dieser Existenz vorausgeht. Dass ich bin kommt also früher als was ich bin. ›Die Existenz geht dem Wesen voraus‹, sagte er.«
    »Das klingt kompliziert.«
    »Unter ›Wesen‹ verstehen wir das, was etwas wirklich ist, die ›Natur‹ dieses Etwas. Für Sartre hat der Mensch aber keine solche Natur. Der Mensch muss sich erst selber erschaffen. Er muss seine eigene Natur, sein eigenes Wesen erschaffen, da es ihm nicht von vornherein gegeben ist.«
    »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst.«
    »Während der gesamten Geschichte der Philosophie haben die Philosophen ja versucht, die Frage zu beantworten, was ein Mensch ist – oder was die Natur des Menschen ist. Sartre dagegen meint, dass der Mensch gar keine solche ewige ›Natur‹ hat, auf die er zurückgreifen kann. Deshalb hat für Sartre auch die Frage nach dem Sinn des Lebens so ganz allgemein keinen Sinn. Mit anderen Worten, wir sind zum Improvisieren verdammt. Wir sind wie Schauspieler, die ohne einstudierte Rolle, ohne Rollenheft und ohne Souffleuse, die uns ins Ohr flüstert, was wir zu tun haben, auf eine Bühne gestellt werden. Wir müssen selbst entscheiden, wie wir leben wollen.«
    »Irgendwie stimmt das ja auch. Wenn wir in der Bibel – oder in einem philosophischen Lehrbuch – nachschlagen könnten, wie wir leben sollen, hätten wir’s ja sehr leicht.«
    »Du hast begriffen. Aber wenn der Mensch erlebt, dass er existiert und dass er irgendwann sterben muss – und vor allem: wenn in alldem kein Sinn zu erkennen ist –, dann schafft das Angst , sagt Sartre. Du weißt vielleicht noch, dass die Angst auch in Kierkegaards Beschreibung eines Menschen in einer existenziellen Situation sehr wichtig war.«
    »Ja.«
    »Sartre sagt außerdem, dass der Mensch sich in einer Welt ohne Sinn fremd fühlt. Wenn er die ›Entfremdung‹ des Menschen beschreibt, übernimmt er gleichzeitig auch zentrale Gedanken von Hegel und Marx. Das Gefühl des Menschen, auf der Welt ein Fremder zu sein, meint Sartre, führt zu einem Gefühl von Verzweiflung, Langeweile, Ekel und Absurdität.«
    »Es ist noch immer ziemlich verbreitet, den ›Depri‹ zu haben oder alles ›ungeil‹ zu finden.«
    »Ja, Sartre beschreibt den urbanen Menschen des 20. Jahrhunderts. Nun weißt du vielleicht noch, dass die Humanisten der Renaissance fast schon im Triumph auf die Freiheit und Unabhängigkeit des Menschen hingewiesen hatten. Sartre selber erlebte die Freiheit des Menschen auch als Fluch. ›Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt‹, schrieb er. Er ist verurteilt, weil er sich nicht selber erschaffen hat, und ist dennoch frei. Denn wenn er erst einmal in die Welt geworfen ist, dann ist er für alles verantwortlich, was er tut.«
    »Wir haben schließlich niemanden gebeten, uns als freie Individuen zu erschaffen.«
    »Genau darum geht es auch Sartre. Aber wir sind freie Individuen und unsere Freiheit verdammt uns unser ganzes Leben lang dazu, uns zu entscheiden. Es gibt keine ewigen Werte oder Normen, nach denen wir uns richten könnten. Umso wichtiger ist es, welche Entscheidung , welche Wahl wir treffen. Sartre weist gerade darauf hin, dass der Mensch niemals seine Verantwortung für das, was er tut, leugnen kann. Deshalb können wir unsere Verantwortung auch nicht vom Tisch fegen und behaupten, wir ›müssten‹ zur Arbeit oder ›müssten‹ uns nach gewissen bürgerlichen Erwartungen darüber, wie wir zu leben haben, richten. Wer auf diese Weise in die anonyme Masse gleitet, wird zum unpersönlichen Massenmenschen. Er ist vor sich selber in die Lebenslüge geflohen. Aber die Freiheit des Menschen befiehlt uns, etwas aus uns zu machen, eine ›authentische‹ oder echte Existenz zu führen.«
    »Ich verstehe.«
    »Das gilt nicht zuletzt auch für unsere ethischen Entscheidungen. Wir können nie die menschliche Natur, die menschliche Schwäche oder so etwas dafür verantwortlich machen. Etwas angejahrte Männer führen sich manchmal wie die Schweine auf und schieben alles auf den ›alten Adam‹, den sie angeblich in sich haben. Aber so einen ›alten Adam‹ gibt es nicht. Er ist nur eine Figur, die wir heranziehen, um unsere Verantwortung für unser eigenes Handeln zu leugnen.«
    »Es muss ja wohl auch Grenzen dafür geben, woran dieser Mann alles schuld sein soll.«
    »Obwohl Sartre behauptet, dass das Leben keinen ihm innewohnenden Sinn hat, heißt das nicht, dass ihm das so Recht

Weitere Kostenlose Bücher