Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
britischen Empirismus zurück und auf die Logik des Aristoteles. Und dann ist das 20. Jahrhundert natürlich vom so genannten Neomarxismus und seinen vielen Strömungen geprägt. Vom Neodarwinismus war ja schon die Rede. Und auch auf die Bedeutung der Psychoanalyse haben wir hingewiesen.«
»Ich verstehe.«
»Eine letzte Strömung, die wir noch erwähnen sollten, ist der Materialismus , dessen Wurzeln ebenfalls weit in die Geschichte zurückreichen. In der modernen Wissenschaft erinnert vieles an die Bemühungen der Vorsokratiker. Noch immer wird zum Beispiel nach dem unteilbaren ›Elementarteilchen‹ gefahndet, aus dem alle Materie aufgebaut ist. Und immer noch kann uns niemand genau erklären, was ›Materie‹ eigentlich ist. Die modernen Naturwissenschaften – zum Beispiel die Atomphysik oder die Biochemie – sind so faszinierend, dass sie für viele Menschen ein wichtiger Teil ihrer Lebensanschauung geworden sind.«
»Neues und Altes nebeneinander, also?«
»So kannst du das sagen. Denn die Fragen, mit denen wir diesen Kurs angefangen haben, sind noch immer nicht beantwortet. Sartre war auf einer wichtigen Spur, wenn er erklärte, dass die existenziellen Fragen nicht ein für alle Mal beantwortet werden können. Eine philosophische Frage ist per definitionem eine Frage, die sich jede einzelne Generation – ja, jeder einzelne Mensch – immer wieder neu stellen muss.«
»Das ist fast ein trostloser Gedanke.«
»Ich weiß nicht, ob ich da ganz deiner Meinung bin. Erleben wir nicht gerade dann, wenn wir solche Fragen stellen, dass wir leben? Und war es nicht immer schon so, dass die Menschen gerade dann klare und endgültige Antworten auf ›kleine‹ Fragen gefunden haben, wenn sie nach Antworten auf die ›großen‹ Fragen suchten? Wissenschaft, Forschung und Technik sind irgendwann alle aus der philosophischen Reflexion entsprungen. War es nicht im Grunde die Verwunderung des Menschen über das Dasein, die ihn schließlich auf den Mond gebracht hat?«
»Doch, das stimmt.«
»Als der Astronaut Armstrong seinen Fuß auf den Mond setzte, sagte er: ›Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.‹ Damit schloss er alle Menschen, die vor ihm gelebt hatten, in seine Empfindungen beim ersten Schritt auf dem Mond mit ein. Dass er ihn tun konnte, war ja nicht nur sein Verdienst und das seiner Zeitgenossen.«
»Natürlich nicht.«
»Unsere Zeit hat sich allerdings auch vielen neuen Problemen stellen müssen. Das gilt vor allem für die großen Umweltprobleme. Eine wichtige philosophische Strömung des 20. Jahrhunderts ist deshalb die Ökophilosophie . Viele westliche Ökophilosophen vertreten die Auffassung, dass unsere gesamte Zivilisation einen falschen Kurs eingeschlagen hat – ja, dass sie auf Kollisionskurs zu dem gegangen ist, was dieser Planet ertragen kann. Sie haben versucht, tiefer zu loten und nicht nur die konkreten Folgen der Umweltverschmutzung und -zerstörung zu ergründen. Am ganzen westlichen Denken stimme etwas nicht, sagen sie.«
»Ich glaube, sie haben Recht.«
»Die Ökophilosophen haben zum Beispiel den Entwicklungsgedanken problematisiert. Er basiert ja auf der Vorstellung, dass der Mensch in der Natur ganz ›oben‹ steht – ja, dass wir Herren über die Natur sind. Und genau diese Vorstellung kann für den ganzen lebenden Planeten lebensgefährlich sein.«
»Ich bin schon wütend, wenn ich nur daran denke.«
»In ihrer Kritik dieses Denkens haben viele Ökophilosophen Gedanken und Ideen aus anderen Kulturen herangezogen – zum Beispiel aus der indischen. Sie haben auch das Denken und die Lebensweise der so genannten ›Naturvölker‹ – oder der ›Urbevölkerungen‹ wie der Indianer – studiert, um vielleicht etwas zu finden, was wir längst verloren haben.«
»Ich verstehe.«
»Auch innerhalb der Wissenschaften haben sich in den letzten Jahren Menschen zu Wort gemeldet und erklärt, dass unser gesamtes wissenschaftliches Denken vor einem Paradigmenwechsel steht. Das heißt, vor einer grundlegenden Veränderung des wissenschaftlichen Denkens überhaupt. In mehreren Einzelbereichen hat das schon Früchte getragen. Wir haben viele Beispiele für so genannte ›Alternativbewegungen‹ gesehen, die auf ganzheitliches Denken Gewicht legen und sich für einen neuen Lebensstil einsetzen.«
»Das ist gut.«
»Gleichzeitig ist es aber immer so, dass wir bei allem, was Menschen tun, zwischen Müll und Edelsteinen unterscheiden
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