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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Mensch im Zentrum
    Um etwa 450 v. Chr. wurde Athen zum kulturellen Zentrum der griechischen Welt. Nun nahm auch die Philosophie eine neue Richtung.
    Die Naturphilosophen waren vor allem Naturforscher. Sie besetzen deshalb einen wichtigen Platz in der Geschichte der Wissenschaft. In Athen konzentrierte sich das Interesse nun mehr auf den Menschen und dessen Platz in der Gesellschaft.
    In Athen entwickelte sich nach und nach eine Demokratie mit Volksversammlungen und Gerichten. Eine Voraussetzung für die Demokratie war, dass die Menschen genügend Unterricht erhielten, um an den demokratischen Prozessen teilnehmen zu können. Dass eine junge Demokratie Volksaufklärung braucht, sehen wir auch in unseren Tagen. Bei den Athenern war es vor allem wichtig, die Redekunst (Rhetorik) zu beherrschen.
    Bald strömte aus den griechischen Kolonien eine Gruppe von wandernden Lehrern und Philosophen nach Athen. Sie nannten sich Sophisten . Das Wort »Sophist« bezeichnet eine gelehrte oder sachkundige Person. In Athen verdienten die Sophisten ihren Lebensunterhalt damit, die Bürger der Stadt zu unterrichten.
    Die Sophisten hatten eine wichtige Gemeinsamkeit mit den Naturphilosophen, und zwar, dass sie die überlieferten Mythen kritisch betrachteten. Aber gleichzeitig lehnten die Sophisten alles ab, was sie für unnötige philosophische Spekulation hielten. Auch wenn es vielleicht Antworten auf viele philosophische Fragen gibt, können die Menschen doch niemals wirklich sichere Antworten auf die Rätsel der Natur und des Universums finden, meinten sie. Ein solcher Standpunkt wird in der Philosophie als Skeptizismus bezeichnet.
    Aber obwohl wir keine Antwort auf alle Rätsel der Natur finden können, wissen wir immerhin, dass wir Menschen sind, die lernen müssen, zusammenzuleben. Die Sophisten beschlossen, sich für den Menschen und seinen Platz in der Gesellschaft zu interessieren.
    »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«, sagte der Sophist Protagoras (ca. 487–420 v. Chr.). Damit meinte er, dass Recht und Unrecht, Gut und Böse immer in Bezug auf die Bedürfnisse der Menschen bewertet werden müssen. Auf die Frage, ob er an die griechischen Götter glaube, antwortete er: »Von den Göttern vermag ich nichts festzustellen ... denn vieles hindert ein Wissen hierüber: die Dunkelheit der Sache und die Kürze des menschlichen Lebens.« Jemanden, der von sich sagt, dass er nicht sicher sagen kann, ob es einen Gott gibt oder nicht, bezeichnen wir als Agnostiker .
    Die Sophisten hatten oft weite Reisen zurückgelegt und auf diese Weise verschiedene Regierungssysteme gesehen. Sitte und Brauch und die Gesetze der Stadtstaaten konnten stark variieren. Vor diesem Hintergrund starteten die Sophisten in Athen eine Diskussion darüber, was naturgegeben war und was von der Gesellschaft geschaffen . Auf diese Weise schufen sie im Stadtstaat Athen die Grundlage für eine Gesellschaftskritik.
    Sie konnten zum Beispiel zeigen, dass ein Ausdruck wie »natürliches Schamgefühl« nicht haltbar ist. Denn wenn das Schamgefühl natürlich wäre, dann müsste es angeboren sein. Aber ist es angeboren, Sofie – oder hat die Gesellschaft es geschaffen? Für Leute, die viel gereist sind, müsste die Antwort einfach sein: Es ist nicht natürlich – oder angeboren –, Angst davor zu haben, sich nackt zu zeigen. Schamgefühl – oder kein Schamgefühl – hat vor allem mit den Sitten und Gebräuchen in einer Gesellschaft zu tun.
    Du kannst dir sicher denken, dass die wandernden Sophisten in der athenischen Stadtgesellschaft heftige Diskussionen auslösten, als sie behaupteten, dass es keine absoluten Normen für Recht und Unrecht gebe. Sokrates dagegen versuchte zu beweisen, dass einige Normen wirklich absolut und allgemein gültig sind.
Wer war Sokrates?
    Sokrates (470–399 v. Chr.) ist vielleicht die rätselhafteste Person in der gesamten Geschichte der Philosophie. Er hat keine einzige Zeile geschrieben. Trotzdem gehört er zu denen, die den allergrößten Einfluss auf das europäische Denken ausgeübt haben. Dass man ihn auch kennt, wenn man mit Philosophie wenig am Hut hat, hängt wahrscheinlich mit seinem dramatischen Tod zusammen.
    Wir wissen, dass er in Athen geboren wurde, und dass er dort sein Leben vor allem auf Marktplätzen und in Straßen verbrachte, wo er mit allen möglichen Leuten redete. Die Felder und Bäume auf dem Land könnten ihn nichts lehren, meinte er. Er konnte auch viele Stunden lang in tiefes Nachdenken versunken

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