Sog des Grauens
wird Mabel kommen und sie alle auslöschen. Keine Armee hat in diesem tiefen Gelände um die Santego Bay Überlebenschancen. Keiner wird diesen Krieg gewinnen.«
Dawson warf Wyatt einen Seitenblick zu. »Vielleicht sollten wir sehen, daß wir wegkommen«, schlug er vor. »Wir könnten den Negrito hinauffahren.«
»Nachdem ich mit Favel gesprochen habe«, sagte Wyatt fest.
»Okay«, sagte Dawson seufzend. »Wir werden hierbleiben und mit Favel sprechen – vielleicht.« Er machte eine Pause. »Wo stellt Rocambeau seine Truppen bereit?«
»Neben der Küstenstraße im Osten – etwa acht Kilometer vor der Stadt.«
»Heiliger Strohsack!« rief Dawson aus. »Ist das nicht, wo Rawsthorne und die anderen sich aufhalten?«
»Ich habe versucht, daran nicht zu denken«, sagte Wyatt gepreßt.
Dawson war betroffen. »Es tut mir leid«, sagte er niedergeschlagen, »daß ich mich so schäbig benommen habe. Wenn ich nicht versucht hätte, den Wagen zu stehlen, wären wir nicht getrennt worden.«
Wyatt sah ihn neugierig an. Irgend etwas war in Dawson vorgegangen; das war nicht der Mann, den er im Maraca Club getroffen hatte – der große, bedeutende Schriftsteller – und es war auch nicht der weinerliche Mann in der Zelle, der ihn zur Hölle schicken wollte. Er sagte behutsam: »Ich habe Sie darüber schon einmal befragt, und da wurden Sie bissig.«
Dawson sah auf. »Wollen Sie wissen, warum ich Ihren Wagen stehlen wollte? Ich werde es Ihnen sagen. Ich hatte Angst – Big Jim Dawson drehte durch vor Angst.«
»Das ist es, worüber ich mich gewundert habe«, sagte Wyatt nachdenklich. »Es paßt nicht zu dem, was ich über Sie gehört habe.«
Dawson lachte bitter. »Was Sie über mich gehört haben, ist großer Quatsch«, sagte er grob. »Ich bin sehr ängstlich.«
Wyatt sah Dawsons Hände an. »Das würde ich nicht sagen.«
»Das ist komisch«, sagte Dawson. »Als ich Roseau ausgeliefert war und wußte, daß da mit Reden nichts mehr zu machen war, hätte ich eigentlich Angst bekommen müssen, aber statt dessen packte mich die Wut. Das ist mir früher noch nie passiert. Was meinen Ruf anbetrifft, das ist alles Schwindel, künstlich aufgebaut – und es war so leicht. Man reist nach Afrika und erschießt so einen armen Löwen, und alle halten einen für einen Helden; man zieht einen Fisch aus dem Wasser, der ein bißchen größer ist als ein gewöhnlicher Fisch, und schon wieder ist man ein Held. Ich benutzte solche Dinge wie eine Keule und baute den Big Jim Dawson auf – einen Papiertiger, wie die Chinesen es nennen würden. Und es ist auch erstaunlich, was ein skrupelloser Presseagent schaffen kann.«
»Aber wozu?« fragte Wyatt verständnislos. »Sie sind ein guter Schriftsteller – alle Kritiker meinen das; Sie brauchen doch keine künstlichen Stützen.«
»Was die Kritiker meinen und was ich meine, sind zwei verschiedene Dinge.« Dawson blickte auf seine staubige Schuhspitze. »Sobald ich mich an eine Schreibmaschine setze und den leeren Bogen Papier ansehe, packt mich ein Gefühl, als sollte ich ertrinken, und wenn ich eine ganze Menge Blätter vollgeschrieben und ein Buch gemacht habe, wird dieses Gefühl noch schlimmer. Ich habe noch nie etwas geschrieben, das mir gefallen hat – es ist mir nie gelungen, aufs Papier zu bringen, was ich mir vorgestellt hatte. Deshalb hatte ich immer, wenn ein Buch herauskam, Angst, es würde durchfallen, und ich brauchte irgend etwas zur Unterstützung, damit es verkauft würde, und so wurde Big Jim Dawson erfunden.«
»Sie haben etwas Unmögliches zu erreichen versucht – Vollkommenheit.«
Dawson grinste. »Ich werde es weiter versuchen«, sagte er fröhlich. »Aber es ist mir nicht mehr wichtig. Ich glaube, ich habe die Angst überwunden.«
Viele Stunden später wurde Wyatt wachgerüttelt. Er hatte gar nicht gemerkt, daß er eingeschlafen war, und als er langsam wieder zu Bewußtsein kam, spürte er seine verkrampften Glieder und schmerzenden Gelenke. Er öffnete die Augen und blinzelte, als er von einer Taschenlampe geblendet wurde. Eine Stimme fragte: »Sind Sie Wyatt, oder ist es der andere?«
»Ich bin Wyatt«, sagte er. »Wer sind Sie?« Er warf die Decke ab, die jemand fürsorglich über ihn gedeckt hatte, und starrte den großen bärtigen Mann an, der auf ihn herabblickte.
»Ich bin Fuller. Ich habe ganz St. Pierre nach Ihnen abgesucht. Favel will Sie sprechen.«
»Favel will mich sprechen? Woher weiß er überhaupt, daß ich existiere?«
»Das ist
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