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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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mir von Ihrer Unterredung mit ihm berichteten.«
    »Er muß es jetzt glauben«, rief Wyatt aus. »Wie könnte er sonst die Räumung von Cap Sarrat erklären?«
    Favel winkte ab. »Er wird dafür leicht eine Erklärung finden. Die Amerikaner zogen ab, weil sie einen Angriff der mächtigen Armee Serruriers fürchteten, des Schwarzen Stars der Antillen. Die Amerikaner rannten, weil sie Angst hatten.«
    Wyatt sah ihn verwundert an und wußte, daß Favel recht hatte. Ein Mann, der einen Hurrikan verbieten konnte, würde automatisch in dieser großspurigen und paranoischen Art denken. Widerwillig sagte er: »Vielleicht haben Sie recht.«
    »Ich habe recht«, sagte Favel mit Bestimmtheit. »Was bleibt uns also jetzt zu tun? Ich will es Ihnen zeigen.« Er führte Wyatt zum Kartentisch. »Hier haben wir St. Pierre – und hier haben wir Ihre Linie, die die Flutgrenze markiert. Die Bevölkerung von St. Pierre wird evakuiert ins Negrito-Tal, aber vom Fluß weg. Während das durchgeführt wird, muß die Armee Serrurier und Rocambeau aufhalten.«
    »Und das wird nicht so leicht sein«, sagte Manning.
    »Ich werde es noch weniger leicht haben«, sagte Favel. »Ich brauche zweitausend Mann zur Überwachung der Evakuierung. Dann bleiben noch tausend zur Verteidigung gegen Serrurier im Westen und zweitausend, um Rocambeau im Osten aufzuhalten. Sie behalten natürlich die gesamte Artillerie.«
    »Julio, haben Sie ein Herz!« schrie Manning. »Es läßt sich so nicht machen. Wir haben nicht genug Leute. Wenn wir nicht genug Infanterie zum Schutz der Geschützstellungen haben, werden sie überrannt.«
    »Es muß zu machen sein«, sagte Favel. »Wir haben nicht viel Zeit. Wenn wir eine ganze Stadtbevölkerung evakuieren wollen, brauchen wir die Männer, um die Leute aus den Häusern zu jagen, notfalls mit Gewalt.« Er sah auf seine Uhr. »Es ist jetzt halb zehn. In zehn Stunden will ich kein einziges lebendes Wesen mehr in der Stadt finden, außer den Soldaten. Sie sind für die Evakuierung verantwortlich, Charles. Nehmen Sie keine Rücksicht! Wenn sie nicht gehen wollen, lassen Sie sie mit Bajonetten kitzeln; wenn das noch nicht genügt, erschießen Sie ein paar, um den andern Beine zu machen! Aber schaffen Sie sie hinaus!«
    Wyatt hörte Favels unbewegte Anordnungen und erkannte zum erstenmal die Wahrheit hinter Caustons Andeutungen. Das war ein Mann, der die Macht wie eine Waffe handhabte und wie ein Politiker ein Volk als eine Masse und nicht als eine Gruppe von Individuen betrachtete. Vielleicht konnte er gar nicht anders sein; er hatte die Unbarmherzigkeit eines Chirurgen, der das Messer in einer Notoperation führt – um den Gesamtorganismus zu erhalten, war er bereit, einen Teil zu zerstören.
    »Wir schaffen sie also hinaus«, sagte Manning. »Was dann?«
    Favel zeigte auf die Karte und sagte leise: »Dann lassen wir Serrurier und Rocambeau St. Pierre einnehmen. Zum erstenmal in der Geschichte werden Menschen einen Hurrikan als Kriegswaffe einsetzen.«
    Wyatt hielt den Atem an, bis in sein Innerstes erschüttert. Er trat vor und sagte mit brüchiger Stimme: »Das können Sie nicht tun.«
    »Kann ich nicht?« Favel drehte sich zu Wyatt um. »Ich habe versucht, diese Männer mit Stahl zu töten, und wenn ich könnte, würde ich sie allesamt töten. Und sie wollen mich und meine Männer töten. Warum sollte ich sie nicht dem Hurrikan überlassen? Gott weiß, wie viele von meinen Männern ihr Leben lassen werden, um die Einwohner von St. Pierre zu retten; sie werden einer fünffachen Übermacht gegenüberstehen, und viele werden fallen – warum sollte der Hurrikan sie nicht rächen?«
    Die flammenden blauen Augen schüchterten Wyatt für einen Augenblick ein. Dann sagte er: »Ich habe Sie gewarnt, um Menschenleben zu retten, nicht um sie zu vernichten. Das ist unzivilisiert.«
    »Und die Wasserstoffbombe ist zivilisiert?« fuhr Favel ihn an. »Denken Sie nach! Was kann ich denn tun? Heute nachmittag, wenn die Evakuierung abgeschlossen ist, werden meine Leute im alleinigen Besitz von St. Pierre sein. Ich werde sie ganz gewiß nicht dort lassen. Wenn sie sich zurückziehen, werden die Regierungstruppen nachrücken und denken, wir seien auf der Flucht. Was sollten sie auch sonst denken? Ich bitte sie nicht darum, in St. Pierre zu ertrinken – sie dringen auf eigene Gefahr in die Stadt ein.«
    »Wie weit werden Sie sich zurückziehen?« fragte Wyatt.
    »Sie haben die Linie selbst gezogen«, sagte Favel ungerührt. »Wir werden,

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