Sohn der Dunkelheit
irgendeiner brauchbaren Waffe ab. Nichts zu finden.
Und es war kalt. Was ihre Reaktionsgeschwindigkeit und Kraft beeinträchtigen würde, wenn sie länger unterwegs waren. Zum Glück hatte sie ihren Parka noch nicht ausgezogen.
Sie biss die Zähne zusammen und erinnerte sich daran, dass sie schon in schlimmeren Situationen gesteckt hatte.
Wirklich.
Scheiße.
» Ich verspreche, ich fahre ihn nicht kaputt. «
Layla stand in der Küche. Während sie auf eine Antwort von Fritz wartete, zog sie den Wollmantel enger um sich, den Qhuinn ihr Anfang des Monats mitgebracht hatte. » Und ich bleibe auch nicht lange weg. «
» Dann fahre ich Euch, Ma’am. « Die Miene des alten Doggen hellte sich auf, und seine buschigen weißen Brauen hoben sich voll Optimismus. » Ich fahre Euch, wohin auch immer Ihr wünscht … «
» Danke, Fritz, aber ich möchte nur ein bisschen durch die Gegend fahren. Ich habe kein Ziel. «
In Wahrheit fiel Layla die Decke auf den Kopf, nachdem sie so lange nicht rausgedurft hatte. Doch da ihre letzten Blutwerte so gut gewesen waren, hatte sie entschieden, das Haus zu verlassen. Sich zu dematerialisieren stand nicht zur Debatte, aber Qhuinn hatte ihr das Autofahren beigebracht – und die Vorstellung, in einem warmen Wagen zu sitzen und einfach ohne ein bestimmtes Ziel unterwegs zu sein … frei zu sein und allein … erschien ihr absolut himmlisch.
» Vielleicht sollte ich per Telefon … «
Sie unterbrach ihn: » Die Schlüssel. Danke. «
Sie streckte die Hand aus und blickte dem Butler fest in die Augen, um ihrer Forderung möglichst höflich Nachdruck zu verleihen. Schon witzig, vor der Schwangerschaft hätte sie klein beigegeben und sich dem Unbehagen des Doggen gebeugt. Doch das war vorbei. Sie gewöhnte sich immer mehr daran, sich durchzusetzen, für sich, für ihr Kind und für den Vater ihres Kindes.
Durch die Hölle zu gehen und um ein Haar zu verlieren, was sie sich am meisten wünschte, hatte sie auf eine Weise verändert, die sie noch immer nicht ganz erfasst hatte.
» Den Schlüssel « , wiederholte sie.
» Aber selbstverständlich. Sofort. « Fritz huschte zur Schreibnische an der rückwärtigen Wand der Küche. » Hier ist er. «
Als er ihn ihr mit einem verkrampften Lächeln entgegenstreckte, legte sie ihm die Hand auf die Schulter, obgleich sie ihn dadurch vermutlich noch mehr in Bedrängnis brachte – und so war es tatsächlich. » Mach dir keine Sorgen. Ich fahre nicht weit. «
» Habt Ihr Euer Handy dabei? «
» Ja, natürlich. « Sie holte es aus der Bauchtasche ihres Fleecepullis. » Siehst du? «
Sie winkte zum Abschied und ging durch den Speisesaal, wo sie der Belegschaft zunickte, die schon für das Letzte Mahl deckte. Auf ihrem Weg durch die Eingangshalle fiel ihr auf, dass sie immer schneller wurde, je mehr sie sich der Vorhalle näherte.
Und dann war sie draußen.
Sie stand auf der Treppe vor dem Haus und sog die herrlich frostige Luft in tiefen Zügen ein. Als sie zu den Sternen aufblickte, spürte sie plötzlich neue Energie.
Obwohl sie die Stufen am liebsten hinuntergesprungen wäre, stieg sie langsam hinab und lief ebenso vorsichtig über den Hof. Als sie am Brunnen vorbeikam, drückte sie auf den Schlüssel, und die Lichter der riesigen schwarzen Limousine zwinkerten ihr zu.
Gütige Jungfrau der Schrift, hoffentlich baute sie keinen Unfall.
Sie setzte sich hinter das Steuer und musste den Sitz zurückschieben, denn offensichtlich war der Butler zuletzt damit gefahren. Dann legte sie den Schlüsselanhänger in den Getränkehalter, drückte auf den Startknopf und wartete einen Moment.
Sie zögerte erst recht, als der Motor aufheulte und dann zu schnurren begann.
Sollte sie das wirklich tun? Was, wenn …
Sie schob die Zweifel von sich, legte den Gang ein und vergewisserte sich auf dem Display am Armaturenbrett, dass nichts hinter ihr war.
» Es passiert schon nichts « , redete sie sich zu.
Schließlich löste sie die Bremse, und der Wagen rollte sanft rückwärts, was gut war. Leider schlug er andersherum ein als beabsichtigt, und sie musste das Steuer in die Gegenrichtung reißen.
» Verflixt. «
Sie manövrierte eine Weile hin und her, bremste ab und fuhr an, bis der runde Stern auf der Motorhaube schließlich auf die Straße ausgerichtet war, die den Berg hinunterführte.
Ein letzter Blick zum Haus, dann fuhr sie im Schneckentempo los, den Hügel hinunter, wobei sie sich ganz rechts hielt, wie man es ihr beigebracht hatte. Die
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