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Sohn der Dunkelheit

Sohn der Dunkelheit

Titel: Sohn der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. Ward
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Landschaft um sie herum war dank des Mhis verschwommen, und sie freute sich schon darauf, es hinter sich zu lassen. Sie sehnte sich nach klarer Sicht.
    An der Hauptstraße bog sie nach links ab und koordinierte das Drehen des Steuers und die Beschleunigung auf eine Weise, dass es einigermaßen geordnet aussah. Und dann ging es zu ihrer Überraschung plötzlich ganz leicht: Der Mercedes, denn so hieß dieses Fahrzeug, wenn sie sich recht entsann, glitt so gleichmäßig und sicher dahin, dass man fast den Eindruck hatte, in einem Sessel zu sitzen und einen Film der vorbeiziehenden Landschaft zu sehen.
    Natürlich fuhr sie auch nur mit acht Stundenkilometern.
    Der Tacho ging bis zweihundertfünfzig.
    Diese Menschen mit ihrem Geschwindigkeitswahn! Doch wenn einem keine andere Art der Fortbewegung zur Verfügung stand, konnte man die Eile wiederum nachvollziehen.
    Mit jedem Kilometer gewann sie an Zuversicht. Sie orientierte sich an der Karte des Navigationsgerätes und hielt sich fern der Stadt und der Highways und auch der Vororte. Ländliche Gegend war gut – hier gab es viel Platz, um anzuhalten, und kaum Verkehr, obwohl von Zeit zu Zeit ein Fahrzeug aus der Nacht erschien und die Scheinwerfer aufleuchten ließ, wenn es links überholte.
    Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, auf welchen Punkt sie zusteuerte. Und als sie es bemerkte, ermahnte sie sich zur Umkehr.
    Doch sie tat es nicht.
    Eigentlich war es merkwürdig, dass sie wusste, wohin sie sich bewegte: Ihre Erinnerung hätte seit dem Herbst verblasst sein müssen, all die Tage, die seitdem verstrichen waren, aber mehr noch die Ereignisse hätten ihr Ziel verwischen sollen. Doch dem war nicht so. Selbst die Erschwernis, dass sie im Auto saß und sich an Straßen halten musste, trübte nicht, was sie vor ihrem geistigen Auge sah … und was sie leitete.
    Die gesuchte Wiese lag viele Meilen vom Anwesen der Bruderschaft entfernt.
    Sie hielt am Straßenrand und blickte die sanfte Anhöhe hinauf. Der große Ahorn stand noch an seinem Platz, doch er hatte das Laub abgeworfen, das einst ein farbenfrohes Dach gebildet hatte.
    Von einem Wimpernschlag zum nächsten sah sie den gefallenen Soldaten vor sich, den man am Fuß des Baums auf die Erde gelegt hatte, glasklar in jeder Einzelheit, von den kräftigen Gliedmaßen bis hin zu den dunkelblauen Augen und der Art, wie er sie abweisen wollte.
    Sie ließ den Kopf auf das Lenkrad sinken. Schlug ihn dagegen. Ein zweites Mal.
    Es war nicht nur unklug, Galanterie in dieser Abweisung zu vermuten, sondern schlichtweg gefährlich.
    Außerdem verstieß es gegen all ihre Grundsätze, mit einem Verräter zu sympathisieren.
    Und doch … während sie allein in diesem Wagen saß und ihren geheimsten Gedanken ausgeliefert war, erkannte sie, dass ihr Herz noch immer an einem Vampir hing, den sie mit Fug und Recht leidenschaftlich hassen sollte.
    Was für eine traurige Angelegenheit.

36
    Um halb elf in derselben Nacht zog Trez das große Los.
    Man hatte ihm und seinem Bruder zwei Zimmer im zweiten Stock gegeben, die nach vorne rausgingen, direkt gegenüber der zugangsbeschränkten Suite, in der das Königspaar wohnte. Die Zimmer waren supergemütlich, mit eigenen Bädern und großen, weichen Betten. Außerdem tummelten sich hier so viele Antiquitäten und königliches Beiwerk, dass jedes Museum vor Neid erblasst wäre.
    Aber das Beste an diesen Zimmern war das Dach, unter dem sie sich befanden.
    Und nicht nur, weil sie hier ein ganzer Steinbruch von Schiefer vor Niederschlägen schützte.
    Er beugte sich zum Spiegel über dem Waschbecken und überprüfte sein schwarzes Seidenhemd. Strich sich über die Wangen, um sicherzustellen, dass er sich gründlich genug rasiert hatte. Zog die schwarzen Slacks hoch.
    Einigermaßen zufriedengestellt nahm er sein Anziehritual wieder auf. Als Nächstes kam der Halfter. Schwarz, damit man ihn nicht sah. Und die zwei Vierziger, die er unter den Armen verbarg, waren gut versteckt.
    Normalerweise trug er Lederjacke, aber in der letzten Woche hatte er den zweireihigen Wollmantel ausgegraben, den iAm ihm vor Jahren geschenkt hatte. Er streifte ihn über, zog die Ärmel glatt und hob und senkte die Schultern, bis die schwarzen Falten richtig fielen.
    Dann trat er einen Schritt zurück und begutachtete das Resultat. Keine Spur von den Waffen. Nichts an seinem schicken Aufzug wies darauf hin, dass er seinen Lebensunterhalt mit Schnaps und Prostitution bestritt.
    Er blickte sich in die Augen und wünschte,

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