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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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gebracht - vom Hütten käse über Pizza bis zu Kuchen, aber sie nimmt immer nur ein bißchen und läßt den Rest stehen. Ich habe so etwas noch nie gesehen.«
    »Okay, bin gleich da.«
    Katie eilte verwundert zu den Aufzügen. Dieser seltsame Hunger - was konnte ihn hervorrufen? Das Mädchen hatte gerade eine strapaziöse Strahlen- und Chemotherapie durch gemacht, die diejenigen Blutzellen abtöten sollten, die die krebsartig veränderten Leukozyten produzierten. Die Behandlung hatte die üblichen Nebenwirkungen gezeitigt wie Brechreiz und Appetitlosigkeit. Doch gleichzeitig hatte Jenny paradoxerweise von wahren Hungerkrämpfen berich tet, die immer häufiger auftraten. Von Brechreiz geplagt, aber hungrig. Es war verwirrend.
    Katie rief sich den einzigen Fall dieser Art ins Gedächtnis, den sie hatte finden können - ein dreizehnjähriger Junge, über den das New England Journal of Medicine berichtet hatte. Der Autor des Artikels hatte denselben bizarren Hunger und die Unfähigkeit beschrieben, auf die Behandlung anzusprechen, wie Jenny sie jetzt zeigte. Der Autor war zu dem Schluß gelangt, es könne sich um eine seltene neue Art von kindlicher Leukämie handeln, die weitere Studien erforderlich machte. Ein vergebliches Gesuch, wenn es überhaupt eines gegeben hatte - denn Forschungsmittel werden - han delt es sich nicht gerade um Herzerkrankungen, Aids und die am weitesten verbreiteten Form von Krebs - selten bei einem atypischen Fall bewilligt, ganz gleich, wie merkwürdig dieser auch sein mag. Alles in allem hatte der Artikel sie enttäuscht. Obwohl er die merkwürdigen Hungeranfälle beschrieb, gab er doch keinerlei Hinweis auf Ursache oder Behandlung. Als sie den Autor angerufen hatte, hatte dieser ihr sehr kurz ange bunden erklärt, der Junge sei gestorben, und er habe keine Ahnung woran - das Schlimmste, was ein Patient seinem Arzt antun kann.
    Katie hatte das ungute Gefühl, als sei auch Jenny dem Tod geweiht. Vom medizinischen Standpunkt aus war es noch zu früh für eine solche Feststellung, aber daß Jennys Blutwerte nicht besser wurden, war alarmierend. Neben der Chemo und Strahlentherapie war Jenny noch mit Antibiotika behan delt worden und hatte Injektionen und eine Rückenmarks übertragung erhalten, bei der sie wochenlang allein in einer isolierten Intensivstation lag. Unter solch massivem Einsatz hätten die Symptome der Bluterkrankung bei ihr inzwischen zurückgehen müssen. Vor zwanzig Jahren überlebte von vier an Leukämie erkrankten Kindern eines, aber heute waren es zumeist zwei von dreien. Die meisten Patienten wie Jenny mußten sechs oder sieben Wochen ins Krankenhaus. Jenny war schon seit drei Monaten hier.
    Es war höllisch frustrierend.
    Im Schwesternzimmer legte Katie einen sterilen Kittel, Gazehandschuhe und eine Gesichtsmaske an. In Jennys Zim mer war das Licht gedämpft, und die Luft roch gut nach Hautlotion. Eine der Schwestern mußte Jenny eingerieben haben. Jeder hier mochte das Mädchen. Katie trat in dem Bewußtsein ans Bett, daß ihr Lächeln an ihren Augen zu erkennen war, auch wenn die Maske ihren Mund verhüllte. »Hi - Kindchen.«
    Jenny lächelte zurück und ließ dabei ihre Zahnspange sehen. »Hi, Dr. O'Keefe. Danke, daß Sie gekommen sind.«
    Katie nickte und versuchte sich ihr Erschrecken über die Blässe in Jennys Gesicht, die von Tag zu Tag schlimmer zu werden schien, nicht anmerken zu lassen. Selbst in ihrer Krankheit war sie noch ein hübsches Kind, kurz davor, mit ihren zwölf Jahren so richtig aufzublühen. Ihr seidiges blon des Haar, ausgedünnt durch die Chemotherapie, hing ihr in die Stirn, und Furcht verdunkelte ihre blauen Augen. Eine Welle von Zärtlichkeit für das Mädchen überflutete Katie. Jenny sollte mit ihren Freunden zu Partys gehen und sich Gedanken darüber machen, wie sie einen tollen und unbe kümmerten Jungen aus ihrer Klasse für sich interessieren konnte. Sie sollte nach all diesen Wochen nicht hier liegen und kaum aufstehen können. Katie streichelte Jennys Arm und verfluchte innerlich die Notwendigkeit, einen Gazehand schuh tragen zu müssen. Aber sie wagte es nicht, ihn auszu ziehen. Die grausamste Ironie der Leukämie lag darin, daß das Gewimmel von weißen Blutkörperchen nicht korrekt arbeitete und den Körper in schrecklichem Ausmaß anfällig für Infektionen machte.
    »Na, wie hast du dich denn heute gefühlt?« fragte Katie.
    »Ganz gut. Mr. Chapman hat mich besucht.«
    Katies Herz schlug schneller. Merrick!
    »Sie wissen schon -

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