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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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anderen Seite der M-Street blühte gelb ein Busch Forsythien im erleuchteten Säulengarten des Hotels Vier Jahreszeiten. Es ist Frühling, dachte Katie. Ich muß mal wieder an die frische Luft.
    Sie ertappte sich dabei, wie sie tief Luft holte und lächelte. Es war schon verrückt, wie sehr die Arbeit sie gefangennahm - die Herde von Praktikanten, die Fortsetzung ihres Artikels über das neue Antigen für JAMA. Aber ihr Privatleben? Nichts Ernsthaftes, nicht einmal etwas Interessantes. Es wurde Zeit, daß sie anfing, sich wieder umzusehen, und auf hörte, jede neue Bekanntschaft gleich an Merrick Chapman zu messen.
    Der Wagen hatte nun das geschäftige Georgetown hinter sich gelassen. Als sie in südlicher Richtung an der George- Washington-Universität vorbeifuhren, kehrten Katies Gedan ken wieder zurück zu jener Nacht, da sie Merrick in einer Notfallaufnahme kennengelernt hatte. Sie war gerufen wor den, um sich das Opfer einer Vergiftung näher anzusehen, das Merrick hereingebracht hatte. Sie erinnerte sich wieder, daß sie von dem Lieutenant beeindruckt war, weil dieser den Mann nicht einfach nur gebracht und hier abgeladen hatte, sondern bei ihm geblieben war. Er hatte ihr eine Menge Fra gen gestellt, um etwas über die Art des Giftes zu erfahren, aber er hatte nichts niedergeschrieben und sie statt dessen angestarrt. Ihr Herz hatte angefangen, bis zum Hals hinauf zu schlagen. In einem Anfall von Kühnheit hatte sie ihn auf eine Tasse Kaffee nach draußen gebeten, und damit hatte alles angefangen...
    Aber jetzt war es vorbei.
    Gut so, dachte Katie. Warum denkst du also noch an ihn? Nach nunmehr zwei Jahren müßte sie den Trennungsschmerz eigentlich überwunden haben. Die Sache war nur die, daß er sehr viel vitaler und beeindruckender war als andere Männer, und so stark ...
    Der Streifenwagen bog in die Fourth Street ein und fuhr wenig später vor dem Gebäude des gerichtsmedizinischen Instituts vor. Die Backsteinfront glänzte feucht im Regen. Katie eilte hinein und die Stufen ins Untergeschoß hinunter, verfolgt vom Geräusch ihrer Absätze auf dem leeren Korri dor. Als sie Raum zwölf erreichte, trat sie durch die geöffnete
    Tür ein und blieb überrascht stehen. Merrick stand an einer Untersuchungsliege und überragte den Mann in dem weißen Kittel, der neben ihm stand. Als Merrick sich umwandte, wei teten sich seine Augen. Ganz eindeutig war auch er über rascht, sie zu sehen.
    Er sah noch immer sehr gut aus; die Trennung von mir hat ihn dem Grab nicht näher gebracht, dachte Katie. Heute abend trug er eine lederne Fliegerjacke. Obwohl der Winter noch nicht einmal ganz vorbei war, war er sonnengebräunt. Meggan, ihre beste Freundin im Hospital, fand, er sehe aus wie der junge Sean Connery in den frühen James-Bond-Filmen. Aber seltsam genug, Merricks Augen erinnerten sie an die eines emeritierten Professors, den sie in der Medizin- Schule hatte, einen Mann, der sich seit siebenundfünfzig Jah ren der Medizin gewidmet hatte, zuerst in der Innenstadt von Detroit, dann in Appalachia, dann in Bangladesch und schließlich in Somalia. In Merricks Augen lag etwas sehr Kraftvolles, sehr Wissendes - und sie hatten ihre Wirkung auf sie nicht verloren. Als sie ihn anschaute, konnte sie spüren, wie ihr Herz schneller zu schlagen begann.
    »Katie, was tust du denn hier?«
    Der Mann neben ihm wandte sich um. »Ah, Dr. O'Keefe. Ich bin John Byner. Sie kennen sich?«
    »Wir sind uns früher schon begegnet«, sagte Merrick trocken.
    Katie trat vor, um Dr. Byner die Hand zu schütteln. Er war ein muskulöser dunkelhaariger Mann mit grauen Strähnen an den Schläfen und einem müden, fast gequälten Gesichts ausdruck. Es war der Ausdruck, den sie oft auf den Gesich tern ihrer Kollegen sah, nur daß Dr. Byner über Vierzig war und nicht in einer Ausbildung feststeckte, sondern sich in einem Karussell aus Mord und schwerer Körperverletzung befand, das niemals still stand.
    »Vielen Dank, daß Sie auch auf Grund so dürftiger Informationen gekommen sind«, sagte Byner. Er wandte sich an Merrick. »Ich habe Dr. O'Keefe gleich angerufen, nachdem
    wir miteinander gesprochen hatten«, erläuterte er. »Wir brau chen eine Expertin, und sie ist die beste weit und breit.«
    »Da kann ich Ihnen nicht widersprechen«, sagte Merrick.
    Katie fragte sich, was denn mit Merrick los sei. Er war glücklich, sie zu sehen, da war sie sicher, aber er schien sich im selben Atemzug zu wünschen, sie sei nicht da. Einen Moment lang sagte keiner

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