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Sohn Der Nacht

Titel: Sohn Der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Spruill
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der Polizist, der immer kommt und die
Kinder besucht«, sagte Jenny.
    »Ja. Hat er dir ein paar Zaubertricks vorgeführt?«
    »Aahh. Einen Kartentrick. Er ist wirklich gut.«
    Vor allem sein Trick, einfach zu verschwinden. Katie riß sich zusammen. Die Trennung war ebenso sehr ihre Entscheidung gewesen wie seine - vielleicht war ihr Anteil daran sogar noch größer gewesen. Es war so am besten gewesen. Sie fragte sich nur, ob er sie wohl noch immer vermißte. Sie jedenfalls ver mißte ihn sehr.
    Sie verdrängte Merrick aus ihren Gedanken, untersuchte den feinen Ausschlag auf Jennys Haut und spürte so etwas wie Erleichterung. Er schien nicht schlimmer geworden zu sein. Die roten und schwarzen Flecken waren von geplatzten Kapil largefäßen verursacht worden, eine übliche Komplikation bei der kindlichen Leukämie. Trotzdem konnte der Ausschlag ein Hinweis auf eine tiefer liegende innere Blutung sein, und das wäre ein echtes Problem. In diesem Fall müßte sie die Indo methazin-Dosis verringern, was wiederum vermehrte Schmerzen in Jennys Arm- und Beingelenken mit sich bringen würde. Der Kampf gegen die Leukämie war ein heikler Balan ceakt, da die meisten ihrer chemischen Waffen gegen die Krankheit gleichzeitig innere Blutungen verschlimmern konn ten. Der nächste Schritt in diesem Drahtseilakt wäre dann, die Anzahl der Bluttransfusionen zu erhöhen und zu hoffen, daß Jennys Neigung zur Bildung von Blutgerinnseln abnahm.
    »Wie fühlst du dich also?«
    »Mir geht es gut«, sagte Jenny mit einem schwachen Lächeln, wobei sie diesmal ihre Zahnspangen bedeckt hielt. »Sie sehen so schön aus heute abend.«
    »Nur heute abend?«
    Jenny kicherte leise, und ihre Wangen überzogen sich mit einem feinen Rot. »Nein, jeden Abend. Ich wollte, ich hätte solches Haar wie Sie. Es ist so dicht und so dunkel.«
    »Das ist ja vielleicht lustig. Ich wollte immer blond sein.«
    »Und Ihre Augen sind wunderschön«, fuhr Jenny fort, »auch ohne Lidschatten.«
    »He, das ist nicht fair. Ich bin hergekommen, um dich ein wenig aufzumuntern.«
    »Ich wette, ich weiß, warum Sie es nicht nötig haben, sich zu schminken.«
    »Und warum?«
    »Weil die Arbeit am Mikroskop gut weitergeht.«
    »Gut geraten«, erwiderte Katie zustimmend. Sie mußte plötzlich daran denken, wie Jenny hier Tag für Tag lag und an sie dachte, wie sie sich aus ihrem Krankenbett heraus in ein Leben hineinphantasierte, das ihrem jugendlichen Geist glanzvoll erscheinen mußte.
    Ein Leben, das zu leben sie womöglich nie die Chance haben würde.
    »Die Schwester sagte, du wolltest mich sehen.«
    Jenny zögerte. »Nun, es ist einfach so, daß ich mich ganz schwach fühle. Ich bin oft sehr hungrig, aber wenn ich esse, hilft mir das nicht. Ich habe dann immer noch Hunger. Ich hätte nur gern gewußt, ob Sie herausgekriegt haben, woran das liegt.«
    »Ich tappe noch immer im dunkeln«, gestand Katie.
    »Oh!« Jenny berührte ihre Lippen mit der Hand.
    Katie sah, daß Jennys Nase blutete, ein weiterer Hinweis auf thromboseartige Veränderungen, die auch für ihren Haut ausschlag verantwortlich waren. Katie spürte, wie Frustration in ihr hochsteigen wollte, nahm Wattebäusche aus der Schublade des Tischchens neben dem Bett und stopfte sie dem Kind in die Nasenlöcher.»Ich glaube, es ist hur ein kleines Nasenbluten«, sagte sie. Jenny versuchte zu lächeln, aber sie sah erschrocken aus. In der Hoffnung, sie ein wenig abzulenken, fragte Katie: »Was ist denn bei den letzten Wiederho lungen von Cheers passiert?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Jenny angesichts der verstopf ten Nasenlöcher mit näselnder Stimme. »Ich habe sie zuletzt gar nicht mehr gesehen.«    
    Diese Antwort beunruhigte Katie. Cheers war Jennys lieb ste Fernsehshow. »Ich hörte, Sam Malone trägt eine Perücke.«
    »Nein!« sagte Jenny.
    »Aber ja.«
    »Er ist zu alt, um alles zu spielen.«
    Katie zog die Wattebäusche wieder heraus und sah mit Erleichterung, daß die Blutung aufgehört hatte. »Da. Alles vorbei.«
    »Werde ich sterben, Dr. O'Keefe?«
    Katie nahm Jennys Hand. Die Frage überraschte sie nicht; sie hatte sie schon zu oft bei früheren Gelegenheiten von jungen Patienten gehört. Aber sie stimmte sie traurig und machte sie aufs neue wütend auf diese schreckliche Krankheit. »Jenny, wenn ich glaube, daß du sterben wirst, dann verspre che ich dir, daß ich es dir sagen werde. Du bist sehr krank das weißt du, und ich weiß es auch. Aber heutzutage stirbt kaum noch jemand in deinem

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