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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Bionom 1 und schüttelte den Kopf. »Wir haben dich deshalb nicht um eine Stellungnahme gebeten, weil wir fürchten, deine eigenen Unsicherheiten und Zweifel dadurch zu vergrößern. Aber ich sehe – du bist stabiler, als wir es dachten. Oder irre ich?«
    »Irrst du? Irre ich? Ich weiß es selbst nicht. Jetzt kann ich nicht mehr objektiv darüber denken. Ich wünschte nur, ich hätte endlich Gelegenheit, das Verfahren zu beschleunigen. Ich will endlich starten. Ich sehe keine Aufgabe.«
    »Auch Geduld kann eine Aufgabe sein!« gab Dek Tak’-Hezi zu bedenken.
    »Ich bin nicht für diese Aufgabe … hergestellt worden!« sagte Dorian mit bitterem Unterton.
    »Was weißt du junger Dachs eigentlich, wofür ich dich erzogen habe?« erkundigte sich Dek sarkastisch. »Sicher nicht dazu, mir Ratschläge zu geben. Aber folgendes, mein Sohn: Genieße dieses Fest, unterhalte dich mit Sonar und rufe mich morgen an. Wir werden unsere Position überprüfen.«
    Das bedeutete mehr, als Dorian zu hoffen gewagt hatte. Er schüttelte vorsichtig die schmale Hand und nickte Bionom 1 zu, der durch die Menge der einzelnen Gruppen davonhinkte und sein schmerzendes Bein nachzog. Kybernos tauchte flüchtig auf, Bryn Friden im Arm, also Bionom 2. Sie sprachen leise und konzentriert aufeinander ein. Es schien, als habe Dorians Unmut einen Ameisenhaufen aufgescheucht. Die Dinge gerieten sichtbar in Bewegung.
    Dorian trank sein Glas aus, winkte einem der weiblichen Pagen und tauschte das leere gegen ein volles Glas aus. Er fühlte, wie der starke Alkohol ihn gleichzeitig beruhigte und aufregte. Er lehnte sich gegen eine der zahllosen Säulen, deren Spitze in die stilisierte Form der Lotosblüte auslief. Vestar Neville blieb neben ihm stehen. Rings um sie gab es die nächtlichen Geräusche. Das Zirpen der Zikaden, die Schreie aufgestörter Nilschwalben, die Musik und zahllose kleine Gespräche. Die Stimmung fing die Menschen ein und umlullte sie.
    »Ich kenne dein Problem genau«, sagte Biona 2. »Du fühlst dich stark genug, um starten zu können. Und du begreifst nicht, warum du warten mußt. Richtig?«
    »Richtig!« sagte Diomed.
    Er verschloß bewußt die Bereiche seiner erweiterten Wahrnehmungsfähigkeit. Alle bewegte Materie, dieser Kernsatz galt für ihn, ist Strahlung. Aber heute abend wollte er nicht anders sein als ein Mensch unter anderen Menschen. Seit dem Tod seiner Eltern fühlte er sich tatsächlich ausgeschlossen; diese Verbindung existierte nicht mehr.
    »Ich bin sicher, daß du in einigen Wochen starten kannst«, sagte Biona 2. »Wir haben lange darüber diskutiert. Die zunächst vorgesehene Zeit erscheint allen zu lang. Das ist eine Information, die ich eigentlich nicht weitergeben sollte, aber du kannst sie natürlich hören.«
    Ein guter Kurier ist stabil, sagte Diomed III.
    Dorian sah sich um, ohne seine Umgebung bewußt und scharf wahrzunehmen. Wieder einmal kam ihm seine Lage zum Bewußtsein. Er war ein Mittelding zwischen Mensch und Maschine, zwischen Homo sapiens anticus und Untersuchungslabor. Wenn Fähigkeiten zum Selbstbewußtsein beitrugen, müßte er stabil wie ein stahlverkleideter Basaltblock sein. Aber er merkte deutlich, wie sich Hemmungen aufzuheben begannen, wie eine geradezu körperliche Spannung an seinen Nerven riß, die mehr als drei Jahrzehnte allem Streß standgehalten hatten. Das Zögern des Mannes, der unmittelbar vor der größten Aufgabe stand, die dieser Planet je auf sich genommen hatte. Und er war völlig allein und einsam. Niemand würde ihm helfen können. Diese Erkenntnis, heute zum tausendstenmal neu formuliert, machte ihn krank. Er trank aus und sagte:
    »Ich sehe mich ein bißchen um, Vestar.«
    »Schon gut. Es sind die Perlen der Gesellschaft anwesend!«
    Dorian V. ließ sich durch die Menge treiben. Er sah hochgewachsene, bezaubernde Mädchen mit kleinen Männern sprechen, bucklige Zwerge, die alte Lyrik rezitierten und formvollendet dialogisierten, er hörte Musik aus versteckten Lautsprechern, er sah Trinkende und Betrunkene. Bionom 1 saß mit einem weißhaarigen Mädchen auf der Balustrade und versuchte die junge Dame mit Gesten und Worten zu verführen. Bryn Friden, Bionom 2, bewunderte unten in den Gärten einen zierlichen Teich mit aufblühenden Wasserlilien. Minty Bonynge glitt allein auf einer der Tanzflächen umher und hielt die Augen geschlossen. Sie schien an Diomed zu denken oder an die vielen nutzlosen Tage, nachdem Dorian gestartet war. Vestar blieb irgendwo im Dunkel

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