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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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prüfenden Blick zu und nickte zufrieden.
    Beide schwiegen sie eine halbe Stunde lang, dann lief das Band aus. Die Ruhe war im Erholungswert ebenso groß, wie die Musik es gewesen war.
    »Woran denkt man, wenn man schläft?« fragte Amaouri und legte ihren Kopf in seinen Schoß.
    »An das Ende des Traumes«, erwiderte er. »War es wieder der Fries auf Halcyon?«
    »Ja.«
    »Ich glaube nicht«, bemerkte er düster und wickelte eine lange Strähne ihres dunkelbraunen Haares um seinen rechten Zeigefinger, »daß ich eine geistige Verbindung mit den fiktiven Bewohnern eines ebensolchen Planeten habe. Ich muß diese Assoziationen irgendwann einmal hergestellt haben.«
    Sie bewegte die Schultern und erwiderte:
    »Ist es wichtig für dich?«
    »Es könnte wichtig werden – auf Halcyon!« sagte er. »Ich weiß es nicht. Du warst bei Kybernos. Was sagte er?«
    Sie öffnete die Augen und stach mit dem Zeigefinger direkt auf seine Nasenspitze.
    »Er merkt, daß alles ungeduldig wird. Ich denke, er wird versuchen, das Projekt zu beschleunigen. Wie fühlst du dich, Do?«
    Er überlegte eine Weile, ehe er antwortete.
    »Ich habe das Gefühl, das ein Ballon haben mag, der kurz vor dem Platzen steht. Überall und immer habe ich mich bewährt und immer mehr qualifiziert. Ich will nicht länger auf den Krücken eurer Zuversicht und eurer Hilfe gehen, sondern auf eigenen Füßen stehen. Ich lechze nach Praxis. Nach allen den Bildern, die ich notwendigerweise gesehen und mir eingeprägt habe. Ich will alle diese phantastischen, surrealistischen Horizonte selbst sehen.«
    Ihre Hand, jetzt war sie weich wie eine Flaumfeder, streichelte seine Wange.
    »Kannst du noch einhundertsiebzig Tage warten?«
    »Ungern!« sagte er. »Der Ballon wird vielleicht platzen.«
    Sie flüsterte:
    »Krisis? Noch eine Krise?«
    »La Libra sagte einmal: ›Die sicherste Methode, aus Fehlern zu lernen, ist, sich keinesfalls zu gestatten, sie ein zweitesmal zu begehen.‹ Ich habe nicht vor, eine zweite Krise zu provozieren.«
    Natürlich beschäftigte er sich in seinen Gedanken, am Tag und erst recht in den Stunden vor dem Einschlafen, selbst an Amaouris Seite, mit dem Sternenflug nach den keineswegs sicheren Zielen. Und selbst wenn der Schild des Dädalos echt war … seit der Zeit, in der jener erfinderische Mann mit Flügeln um Kreta schwirrte, konnte das Leben auf den gekennzeichneten Welten sich erschreckend geändert haben oder ganz ausgestorben sein. Was Dorian brauchte, war eine Mauer, an der er seine Kräfte messen konnte. Er fühlte sich wie ein zum Überlaufen gefüllter Behälter. Erst dann, wenn jedes Stück an Ort und Stelle verstaut war und jederzeit wieder hervorgeholt werden konnte, würde er aktionsbereit sein. Und aktionsfähig. Jetzt herrschte noch eine gewaltige Unordnung.
    »Eigentlich bist du ein ganz netter, normaler Mensch«, sagte Amaouri provozierend. »Heute abend sind auch wir bei Sonar? Küsse mich!«
    »Ich werde hingehen. Er mag sarkastisch sein«, sagte Dorian und hob den Oberkörper des Mädchens zu sich heran, »aber mit ihm kann ich meine Probleme besser diskutieren.«
    »Besser als mit mir?« fragte sie, ehe er sie küßte. Einige Zeit später entgegnete Dorian:
    »Besser und tiefer. Deshalb, weil ich dich liebe und ihn nicht. Er ist ein Neutrum. In dieser Beziehung allerdings nur, hoffe ich.«
    In dieser viskosen, alternden Bevölkerung der Erde waren Männer wie Sonar Quaiser oder Diomed III. geradezu eine Erholung. In ihnen funkelte noch der Geist, der einst Gestalten wie da Vinci, Racine oder Rabelais ausgezeichnet hatte, Heine oder Vrontescu. Von ihnen und ähnlichen Gestalten wurde die Fackel noch hochgehalten. Sonst würde sich die Lethargie einer untergehenden, überalterten Rasse auch noch über das Reservat rund um Star Station schieben.
    »Ich schmolle!« stellte Amaouri fest.
    »Warum?«
    »Du sollst keinen anderen Geistesfreund neben mir haben!« beharrte sie. Er wußte nicht genau, ob sie scherzte oder nicht. Dann lächelte er und gab zur Antwort:
    »Zynismus entsteht, wenn ein heißes Gefühl eiskalt geduscht wird. Hast du vor, mich verlieren zu wollen?«
    Sie hielt sich nicht damit auf, der Bedeutung des zweiten Satzteiles nachzugehen; sie begriff nur Mikrosekunden langsamer als er.
    »Keineswegs. Ich provoziere vielleicht Erotik, keinesfalls aber geistigen Verrat. Du weißt außerdem, daß selbst, wenn wir uns hassen würden, wir uns lieben müßten. Die einzige Frau, die dich lieben kann, bin ich. Und der

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