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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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einzige Mann, der mich heben kann, bist du.«
    Er trug sie aus dem schweren Sessel hinaus und legte sie vorsichtig auf den weichen Teppich neben dem Swimmingpool, während er leise sagte:
    »Niemand hofft inbrünstiger, daß wir uns in dieser Beurteilung nicht täuschen, als ich, Liebste.«
    »D’accord!« erwiderte sie.
    Am Himmel über ihnen begann sich jetzt im spätesten Licht des wolkenlosen Nachmittages der Ring aus Gesteinstrümmern abzuzeichnen, der einst wie der verschwundene Ring um den Saturn die Erde umgab. Der Mond Terras war von den kosmischen Gezeitenkräften zerstört und in Millionen von Felsbrocken zerrissen worden, die sich in einem stabilen Orbit bewegten. Es war, als funkle das Sonnenlicht auf einem gekrümmten Diamantenschleier. Während sie sich liebten, bemühte sich Dorian, nur sein normales optisches Spektrum zu sehen – würde er andere Frequenzen wahrnehmen können, konnte sich der Ring zu einer Fessel aus düsteren Farben ändern und die Schrecknisse zukünftiger Abenteuer vorwegnehmen.
    Er war also doch noch instabil. Nicht der Ring, sondern Dorian …
     
    *
     
    Innere Disziplin, ein emsiger Fleiß, eine Spitzenbegabung und Auflagen, deren Höhe den Kenner schwindeln ließ, hatten La Libra zu einem reichen Mann werden lassen. So konnte er es sich leisten, in einem Bauwerk zu residieren, das eine stilechte Kopie des Palastes des Pharao Sesostris I. war. Eine Einladung in diesem Haus galt als Auszeichnung, die nur wahren Freunden zuteil wurde oder Menschen, deren Gesellschaft Sonar Quaiser aus nur ihm bekannten Gründen wünschte. Diomed, die Bionomen und Bionen, Amaouri und Dorian durften jenen hageren Menschen mit dem Gesicht eines alternden Raubfalken sogar vor dem Frühstück besuchen. Der Palast war in wechselnde Farbspiele gehüllt, und die Reliefs und Friese lebten im Feuer der Fackeln auf. Sonnensegel spannten sich über die Zypressen am Weg. Bezahlte Hetären aus der nahen Hauptstadt boten Erfrischungen und, so gewünscht, auch ihre Reize an.
    Amaouri und Dorian hatten die zweitausend Meter von ihrem Haus bis hierher durch die matt erleuchteten Parks zu Fuß zurückgelegt. Noch immer war für sie die Natur der Erde das Maß gewisser Dinge.
    »Ich bin immer wieder fasziniert«, sagte Dorian. Es klang wie ein Selbstgespräch.
    »Worüber?«
    Sie blieben stehen, hielten sich an den Händen und bewunderten die archaische Pracht und die unverkennbar festlich-fröhliche Ausstrahlung der weißen Kuben, der Säulenkolonnaden, der Rampen und Treppen. Es mochten zweihundert oder mehr Personen anwesend sein.
    »Über Sonar. Er gibt diese Feste, er bewegt sich mit sichtlichem Wohlbefinden inmitten seiner Gäste, wie ein bunter Fisch im tropischen Wasser der Lagune. Und in dem Augenblick, da ein ästhetisches Problem auftaucht, ein psychologisches oder ein menschliches, ist er vollkommen ernst und konzentriert. Er fällt nicht aus der Rolle, weil er keine Rolle spielt.«
    »Nein, das ist es nicht«, sagte Amaouri und nickte dankend, als eine der leichtbekleideten Schönen auf sie zutänzelte und ihnen Getränke anbot. »Sonar würde selbst auf dem Totenbett noch mit dir deine Probleme diskutieren. Er weiß, wer seine wirklichen Freunde sind. Er vergißt es buchstäblich nicht eine Sekunde lang.«
    Dorian sah ein, daß selbst er mit allen seinen Fähigkeiten und einem Alter von knapp fünfunddreißig Jahren nicht mit einem Mann konkurrieren konnte, der fünfzig Jahre Lebenserfahrung verzeichnen konnte. Er ging weiter und näherte sich dem breiten Weg mit den Sphingen.
    Sie waren so meisterlich nachgearbeitet, daß man sogar die Beschädigungen angebracht hatte, die zu Lebzeiten des Pharao entstanden waren. Zweihundert Schritte bis zur Prunktreppe. Wie oft hatten sie dort auf Polstern gelegen und mit Diomed oder Sonar über das gesamte breite Spektrum menschlicher Gedanken diskutiert!
    »Wie ist deine Laune, Do?« fragte Amaouri.
    »Ausgewogen. Warum ist das so wichtig?«
    Sie kicherte.
    »Alles an dir ist wichtig. Wenn eines deiner Haare gekrümmt wird, zittert die Erde.«
    »Eines ist sicher«, knurrte er. »Du gehörst nicht zu den Menschen, die mich für wichtig halten.«
    Sie schwieg. Das Schweigen machte ihn stutzig, und vorübergehend vergaß er, diese leichthin gemachte Bemerkung auszudiskutieren. Er sollte sich im letzten Drittel des Festes daran erinnern.
    Die acht Menschen, die Hauptverantwortlichen des Projekts, hätte ein Blinder aus der Masse der Gäste herausfinden

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