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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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verschwunden, Diomed III. suchte La Libra, und plötzlich stieß Dorian mit einem Mädchen zusammen, das unverkennbar Ähnlichkeit mit Amaouri hatte.
    »Wer bist du?« fragte er heiser.
    Die Finger seiner linken Hand begannen unkontrollierbar zu zucken. Dorian war überzeugt, daß heute nacht seine Beherrschung und seine Selbstsicherheit äußerst leicht zu erschüttern waren.
    »Die Versuchung dieser Nacht«, sagte sie und lächelte. Sie war etwas betrunken und unverkennbar ein Mensch; eine von den anderen, zu denen er sich nicht mehr zählen durfte.
    »Dein Name?«
    »Cardinola nennt man mich, Dorian. Hier, trinke!«
    Sie hielt ihm einen mächtigen goldenen Pokal entgegen. Der Inhalt schwappte über den Rand, als Dorian trank. Es war hochprozentiger Alkohol, mit einer Droge versetzt, die er nicht analysieren wollte. Das Zeug brannte auf der Zunge, in der Speiseröhre und im Magen. Geräuschvoll stieß Dorian die Luft aus.
    »Cardinola«, sagte er langsam, »ich glaube, ich werde mich heute betrinken!«
    Sie lächelte ihn breit an. Verglichen mit Amaouri war sie gewöhnlich, hatte zu breite Hüften und eine weitaus schwächere Ausstrahlung. Sie sagte leichthin:
    »Wenn du ganz betrunken sein wirst, werde ich auf dich warten. Ich finde dich … irgendwo in den Palastgärten!«
    Er berührte kurz ihre heiße Schulter, dann nickte er ihr zu und ging davon. Er traf, an einer der Onyxstatuen lehnend, La Libra, der ihm seit Minuten zugesehen und zugewinkt hatte.
    Der hakennasige Mann starrte Dorian in die Augen, sein Blick glitt prüfend über jeden Zoll des Körpers. Dann bemerkte Sonar Quaiser mißbilligend:
    »Wie in der antiken Tragödie. Der Held befindet sich im Stadium beginnender Auflösung. Hetzen dich die Gorgonen, Freund Dorian?«
    »Ich weiß es nicht, Sonar!« sagte Dorian und begegnete dem seelenlosen, kalten Blick einer altägyptischen Gottheit, deren Goldschild, zwischen den Hörnern befestigt, das Licht einer Fackel stechend reflektierte. Eine unheimliche Spannung lag über der Szene. Etwas begann Dorians Brust zuzuschnüren.
    »Lebenskunst ist die Fähigkeit, soviel Abstand zu halten, daß man sich nicht isoliert!« bemerkte Sonar. »Schön. Du treibst der zweiten Krisis entgegen. Möge sie eine Katharsis hervorbringen. Dann wird sich der Orkan in deinem Innern gelegt haben. Dann werden wir ein langes Gespräch führen können, Do!«
    Dorian stützte sich schwer gegen den polierten Stein des Sockels.
    »Du weißt soviel, Sonar. Mehr als ich – und ich bin der Betroffene!« sagte er mit schwerer Zunge.
    »Es ist mein Vorrecht. Distanz, Kühle, Besonnenheit – das sind wenige Vorzüge des Alters und der Erfahrung. Du hast Cardinola getroffen?«
    »Ja.«
    »Triff sie ein zweitesmal. Nachher. Ich werde inzwischen der lieblichen Amaouri aufzählen, welche Fehler sie macht.«
    Sie maßen sich mit langen, intensiven Blicken.
    In diesen Sekunden mußte Dorian erkennen, daß er zwar in der Lage war, einen steilen Berg zu erklettern. Jetzt aber, knapp unterhalb des Gipfels, hatte er nur noch die Wahl, mit einer unbarmherzigen Kraftanstrengung den Gipfel zu erreichen und in Sicherheit zu sein, oder wegen nachlassender Kräfte den Halt zu verlieren und abzustürzen. Die Panik, die vermutlich seit Monaten sich angebahnt hatte und aus zahllosen kleinen Anstößen bestand, wurde deutlich greifbar. Heute war sie von mehreren Personen provoziert worden. Und er selbst mit seinen Gedanken, die im Kreise herumrasten, verstärkte dieses Potential noch ununterbrochen.
    La Libra sagte leise:
    »Du beginnst zu zittern. Alles drängt auf einen Ausbruch. Lauf weg, zerstöre, was dich zu zerstören beginnt. Wenn du nicht gerade den Planeten sprengst oder dich tötest, so hat nichts anderes einen Einfluß auf das Gelingen des Projektes. Tobe dich aus, Do.«
    Dorian flüsterte:
    »Außerhalb der Kontrolle?«
    »Ja. Wenn Werte auf dem Spiel stehen, die nicht bezifferbar sind, bedeutet der Verlust einiger Millionen nichts mehr. Los, Do!«
    Sonar Quaiser begann zu lachen. Zuerst grinste er breit, dann prustete er los, schließlich schüttelte er sich. Verwirrt ging Dorian rückwärts, stolperte und wandte sich um.
    In seinen Gedanken schien ein Damm zu brechen.
    Er ging schnell aus dem Bereich des beleuchteten Weges hinaus. Er lief langsam über den Rasen und zertrat ein Glas. Dann hetzte er zwischen den Bäumen davon und rannte ziellos dahin. Unmerklich begann sich seine Spannung zu lösen.
    »Das ist Wahnsinn!« murmelte er.
    Er

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