Sohn der Unendlichkeit
können.
Sie verbreiteten, ohne sich selbst dessen bewußt zu sein, eine Zone von Autorität und jener Spannung um sich, die entsteht, wenn sich Menschen unausgesetzt physischen oder geistigen Gefahren widmen. Sonst unterschieden sie sich höchstens noch durch die aufrechte Haltung von den anderen Teilnehmern. Mit einem einzigen Blick identifizierte Dorian Bionom x und 2, Biona 2, dann Kybernos und Sonar, der mit Biona x sprach. Sie alle standen wie eine Gruppe historischer Personen unter den Bohlen einer überwucherten Pergola, und ihre Schatten tanzten über die weißen, goldumrandeten Bodenplatten.
»Dort kommen sie!« sagte Kybernos und deutete auf Amaouri und Dorian.
»Wir sind schon hier!« rief Dorian.
Als er eine Gruppe von Gästen passierte, hörten seine geschärften Ohren die Kommentare. Wenn sie dort annahmen, er könne sie nicht hören und also ehrlich sprachen, sammelte er in dieser halben Minute mehr Komplimente ein als andere Männer in zehn Jahren bitterster Anstrengungen. Es gab ihm einen Stich, als er die Informationen verarbeitete. War er wirklich so gutaussehend, strahlte er tatsächlich eine derart überzeugende Persönlichkeit aus? War er die Spitze der Pyramide? Das As der Erde? Er wollte es nicht glauben, weil er noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sich selbst zu bestätigen oder das Gegenteil zu erleben.
»Gegrüßt!« sagte Sonar, küßte Amaouri auf den Nacken und schüttelte Dorian die Hand.
»Gegrüßt!« gab Dorian zurück. »Wenn später der Rausch der ersten Stunden vergangen ist, muß ich mit dir sprechen, Sonar.«
»Nur zu gern. Ich habe immer gern Schüler um mich gehabt – wie Sokrates.«
Dorian erwiderte höflich:
»Sein Ende möge auch deines sein. Dein geiziger Abend heute, ja?«
Sonar schnippte mit den Fingern. Eine Bodenplatte erhob sich, ein Robot erschien und nahm die Bestellung entgegen. Sekunden später tauchten zwei aparte, schlanke Negerinnen auf, brachten die Getränke und blieben in achtungsvoller Entfernung stehen.
Der Abend konnte beginnen.
Vestar Neville, die Biona 2, rückte ihr prachtvolles rotes Haar, das in vielen Rollen auf beiden Seiten des schmalen Schädels herabfiel, affektiert zurecht und sagte zu Dorian:
»Ich hörte, daß unser hoffnungsvoller Held ungeduldig zu werden beginnt.«
»Es ist die Unruhe des Rennpferdes vor dem Start«, entgegnete Dorian und nippte an seinem Getränk. Es schmeckte wie eine Mischung aus Sekt und Cognac und schien auch so zu wirken. Er verzichtete darauf, die verschiedenen Geschmackskomponenten genau zu analysieren und forschte im Gesicht von Biona 2.
»Was ist los, Vestar?« erkundigte er sich leise.
Sie nahm seinen Arm und schritt langsam neben ihm her. Hinter ihnen verglühten die farbenfrohen Malereien der Palastmauer. Er spürte intuitiv, daß während des heutigen Tages die anderen über ihn und das Projekt gesprochen hatten. Das war nichts Besonderes, das geschah häufig – aber diesmal war Grundsätzliches diskutiert worden.
»Unsicherheit«, sagte sie fast flüsternd.
»Unruhe. Biomed III. ist der unsicherste von uns allen.«
»Ich verstehe. Es geht um mich, ja?«
Sie stellte ihren Pokal auf eine Brüstung, breitete beide Arme aus und sagte fast pathetisch:
»Wann geht es nicht um dich, Dorian?«
»Verdammt!« antwortete er. »Ich habe Grund zur Unsicherheit und fühle mich ziemlich ausgeglichen. Warum seid ihr so aufgeregt?«
»Deinetwegen. Niemand verkennt oder verharmlost die Situation, in der du dich befindest.«
Die Antwort war ehrlich, und er dachte darüber nach. Aus der halben Dunkelheit eines Patio löste sich die kleine Gestalt von Bionom 1. Dek Takllezi rauchte eine lange Zigarette und hielt sie auf. Seit mehr als einhundert Jahren hatte er die Gene kontrolliert und konnte mit einigem Recht Dorian als das Ergebnis seiner Arbeit betrachten.
»Aha«, sagte er mit seinem tiefen Baß, »Grundsatzdebatte?«
»So ist es, Bionom 1«, sagte Dorian. »Ihr alle meint, ich stehe vor einer Explosion?« Inzwischen verstand er das Gefühl eines eingesperrten Tieres.
Er fühlte die schmale Greisenhand des Bionomen auf seiner Schulter.
»Das denkt keiner von uns, Dorian, wirklich nicht. Wir wissen nur ziemlich genau, wie dir zumute ist.«
»Und auf den Einfall, mich selbst zu fragen oder meine Einstellung zu diesem Problem zu erfahren, seid ihr alle in eurer Weisheit nicht gekommen, wie?« erkundigte sich Dorian spöttisch.
»Diese Frage kannst du nicht im Ernst gestellt haben«, meinte
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