Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
Gedankenbefehl hielt die Blase an.
    »Das ist – fast! die erste wirkliche Insel dieses Planeten!« sagte Dorian.
    Das Mädchen klammerte sich an ihm fest, als sie bewußt sah, wo sie sich befand. Die Kugel schwebte Hunderte von Metern über einem endlosen Ozean, dessen Oberfläche noch immer bewegt war. Zum erstenmal sah ein Hydrogent seine Welt von »außen«, aus der Perspektive eines Lebewesens, das hier unbekannt sein mußte: eines Vogels. Vielleicht konnte man in einer genau abgestuften Population – eines fernen Tages – terranische Vögel hier absetzen. Dicht unter der schmutzigen Wasseroberfläche, die sich zusehends klärte, erhob sich ein schwarzer, langer Rücken. Es sah aus, als ob einer der riesigen Walfische sich aus dem Wasser erheben wollte. Dorian flüsterte in beruhigendem Ton, leise, aber mit verstärkter Intensität:
    »Du siehst hier den Anfang, schöne Oscanee. Größer und wesentlicher werden die Inseln sein, auf denen eines Tages die Schiffe der Erde und von Fuega landen werden.«
    Er mußte ihnen verschweigen, daß die Orogenese in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden ganze Kontinente aus dem Meer heben würde, mit fruchtbarem Meeresschlick bedeckt, der zu Humus werden würde.
    »Und du siehst hier, wie eure Welt aus großer Höhe aussieht!« flüsterte er und zog sie an sich. »Ich werde euch alles lehren – ihr werdet es brauchen, wenn genug Land da ist.«
    Sie schwieg und schluchzte auf. Die Kugel, die das zusätzliche Gewicht des Wassers nicht spürte, beschleunigte rasend schnell und stieg in einer steilen Kurve hinauf ins Weltall und glitt ins Schiff hinein.
    Drei Tage vergingen.
    Oscanee lebte in der Kugel, die sie mit Wasser und Sauerstoff versorgte. Die Rechenanlage stellte die richtigen Nahrungsmittel für sie zusammen. Dorian verwendete beträchtliches Geschick darauf, sie so zu verführen, daß sie von dem Bewußtsein erfüllt zurückkehren würde, die Urmutter eines neuen Geschlechtes zu sein. Eine Gewebeprobe, die Dorian Oscanee entnahm und analysieren ließ, bestätigte die fast hundertprozentige Identität der Chromosomen und Gene. Die Maschinen fertigten zehn gleichartige Tafeln an, die, unter Gas in Rahmen befestigt, dicht unter der Wasseroberfläche schwimmen würden. Dort war in der gemeinsam entwickelten Sprache beschrieben, was in der nächsten Zeit geschehen würde, was geschehen mußte. Zehn Tafeln, die Oscanee gehören würden.
    Dann verließen sechs schlanke Torpedos das Schiff. Sie schwebten hinunter zu genau ausgesuchten Zielen. Ein Torpedo sank in der Nähe des Dreizack-Berges auf den Meeresgrund und zündete dort. Eine Bombe glühte auf, die sich immer tiefer in die dünne Sial-Schicht fraß und noch weiterbrennen würde, wenn sich längst Magma und Wasser vermischen würden.
    An sechs Stellen riß die Planetenkruste auf.
    Sechs Vulkane brachen auf, schleuderten Felsen und Dampf in die Atmosphäre und schufen sechs Inseln. Als die Kugel nach drei Tagen wieder nach unten glitt, war die Wasserfläche von sechs gewaltigen, noch sterilen Höhenrücken unterbrochen, zum Teil bis zu fünfhundert Metern über dem Wasserspiegel.
    Die Kugel schwamm dicht unter der Oberfläche. Ein großer Spalt klaffte in dem transparenten Material.
    »Du fliegst weiter. Ich bleibe hier und trage den Samen eines Terra-Menschen in mir«, sagte Oscanee. Sie betrachtete zuerst Dorian, dann die zehn Tafeln, die sich träge bewegten.
    »So sollte es sein, nicht anders«, erwiderte Dorian. »Eine Tafel wirst du behalten und weitervererben.«
    »Die anderen?«
    Das Mädchen war Jungfrau gewesen. Dorian war der erste Mann, der sie geliebt hatte. Diese Erfahrungen würden zum Schlüsselerlebnis werden; kein anderer Mann konnte ihn ersetzen, da er anders war. Nicht besser oder schlechter. Anders. Man würde sie wie eine Halbgöttin verehren. Wie ein terranisches Mädchen, dessen Sohn beispielsweise von Dädalos stammte.
    »Die anderen neun Tafeln werden dir eine ungeheure Macht und ein gewaltiges Ansehen sichern«, sagte er und streichelte ihre Schultern. Sie schaffte es sogar, mit dem unwiderruflichen Abschied und am Ende ihrer intensiven Beziehungen fertig zu werden. »Du sollst sie an neun andere Stadtköniginnen verteilen. Und auch PHYLLA wird gehorchen.«
    Er lächelte sie an und sagte:
    »Ich muß weiter. Zu anderen Sonnen, zu anderen Planeten. Geh jetzt zurück in den Kessel. Er hat eine gewaltige Öffnung. Durch diese Öffnung sollt ihr hinausschwimmen zu den anderen

Weitere Kostenlose Bücher