Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)
entfaltete.
»Ich liebe dich, Jason«, flüsterte sie.
Dann sank sie in einen tiefen Schlaf des Vergessens.
Kairo, Ägypten
Lawrence stand vor dem eindrucksvollen, aus der Zeit der Belle Époque stammenden Apartmentblock in der Kairoer Altstadt und schaute hinauf zu seiner Wohnung im zehnten Stock.
Waseem kam keuchend herbeigerannt und blieb, völlig außer Atem, neben ihm stehen. Lawrence legte seinem Assistenten einen Finger auf den Mund.
»Es scheint so, Waseem, als ob wir einen ungebetenen Gast hätten.«
Er deutete nach oben. Waseem folgte seinem Blick und runzelte die Stirn.
Sie gingen an dem dekorativen Eisengitter vorbei, traten unter den steinernen Kranzgesimsen hindurch in die Eingangshalle und öffneten die eisernen Aufzugtüren. Lawrence drückte einen Knopf, und der Aufzug bewegte sich im Schneckentempo aufwärts.
Der Aufzug hielt mit einem Ruck im zehnten Stock. Lawrence öffnete die Tür und trat in den langen Flur. Vor der fein gearbeiteten Eingangstür zu seinem Apartment hielt er inne.
»Einen höchst unwillkommenen Gast.«
Lawrence hob leicht die Hand. Die Tür öffnete sich.
Draußen auf dem Balkon, die Hand zum Gruß erhoben, stand Charsoc.
Lawrence trat ein, gefolgt von Waseem. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.
»Ich hätte dich vorwarnen sollen, dass ich komme, Jether«, sagte Charsoc lässig. »Du hättest dann schon mal den Tee aufsetzen können.«
Lawrence taxierte Charsoc. Der Gestürzte trug immer noch menschliche Gestalt. Fast eins neunzig groß, mit Hakennase und kurz geschnittenem eisengrauem Haar.
»Kester van Slagel, Emissär Lorcan de Molays, nehme ich an.«
»Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Charsoc verbeugte sich. »Ich nehme an, ich habe die Ehre mit Professor Lawrence St. Cartier, Experte für Altertümer.« Er lächelte dünn und zog seine Handschuhe aus. Kritisch sah er zu, wie Lawrence die Metamorphose in seine Engelsgestalt als Jether vollzog.
»Vergib mir, wenn ich dem nicht Folge leiste«, sagte Charsoc. »Jehovahs Addendum zum Ewigen Gesetz, das sich auf den Eintritt in die Welt durch das Portal von Schinar bezieht, legt mir da gewisse – sagen wir – Beschränkungen auf.«
Jether nickte Waseem zu, der sich daraufhin in Obadiah verwandelte.
Charsoc hob die Brauen.
»Ich sehe, wir haben auch einen Dienstengel hier. Alle Achtung, Jether! Wie vorausschauend von dir. Dann brauchst du nicht alles allein zu machen.«
»Obadiah …« Der Jüngling nickte kurz und zog sich zurück.
Jether warf einen Blick auf Charsocs Priesterkragen und runzelte die Stirn.
»Sehr kleidsam, findest du nicht?« Charsoc grinste. »Roben. Kruzifixe. Schwarze Gewänder. Ein bisschen makaber, zugegeben. Aber die Ringe sind opulent. Fast ein bisschen protzig. Ganz nach meinem Geschmack.« Er polierte den großen, ungeschliffenen Stein seines Siegelrings am Ärmelaufschlag.
»Blutstein«, fuhr er fort. »Eine Art von Chalzedon. Nach der Legende wurde der Blutstein aus dem Blut Christi gebildet, als es auf die Erde tropfte und hart wurde.« Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Ich werde derzeit aufgebaut … geformt … gerüstet , Jether. Für das Amt des Großinquisitors der Synode des Weltkongresses der Kirchen.«
»Der Falsche Prophet der Offenbarung. Warum überrascht mich das nicht?«, meinte Jether trocken.
»Eine neue Ordnung.« Charsoc hob die Arme zum dunklen Himmel über Kairo. »Die Wiedergeburt der Inquisition.«
Jether trat auf den Balkon hinaus.
»Ich habe dich nicht hergebeten.«
»Ich habe einen Minibus genommen«, entgegnete Charsoc, ohne auf Jethers Einwand einzugehen. Er schnippte ein Stäubchen von seiner Robe. »Überfüllt. Reifen ohne Profil, kaputte Sitze. Fünfzehn Piaster.« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Du hättest dir wenigstens eine etwas zivilisiertere Gegend als Wohnsitz aussuchen können.«
Er sah hinaus auf das Panorama der Kairoer Altstadt bei Nacht.
»London zum Beispiel … Mailand …«, fuhr er fort, bevor er mit zischender Stimme fragte: » Oder bist du etwa aus Sentimentalität hier? Ägypten hat den Nazarener beschützt, und so erfüllte sich, was der Herr durch den Propheten verkündet hatte: ›Aus Ägypten rief ich Meinen Sohn.‹«
»Was willst du, Charsoc?«, fragte Jether mit einer Stimme kalt wie Eis.
»Oh, sind wir heute empfindlich. Na, wie du willst. Ich bin hier, um dir eine Botschaft zu überbringen.«
»Natürlich, weshalb auch sonst?« Jether sah ihn verächtlich an.
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