Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)
gefärbtes Haar hin und her wogte.
»Nicht gut für die schlanke Linie, so ein Zitronenkuchen.«
Julia verzog verärgert das Gesicht, nahm dann einen Schluck Latte.
»Du kannst Adrian von mir ausrichten, dass dieses Big-Brother-System, das er vor seinem Auszug aus der Downing Street installiert hat, eine Verletzung meiner Persönlichkeitsrechte darstellt.«
Julia nahm einen großen Bissen von ihrem Kuchen.
Nick sah, wie sie genüsslich kaute. Er grinste amüsiert. Solange er Julia kannte, war sie dauernd auf Diät gewesen. Ihre Disziplin war legendär, und sie wurde dafür mit einer schlanken Figur belohnt, welche die Blicke aller Männer auf sich zog. Aber Nick erinnerte sich auch, wie Julia in den Sommerferien, die sie oft mit ihm und Jason in Cape Cod verbrachte, beim Picknick reinhauen konnte. In Wirklichkeit, so wusste er, liebte Julia St. Cartier das Essen. Enthaltsamkeit in diesem Punkt war der hohe Preis, den sie für eine große Karriere in der Medienwelt zahlte, wo Kuchen und Kohlenhydrate verpönt waren. Blattsalat und Perrier waren die Standardverpflegung der großen Schar allzeit hungriger Medienikonen, zu denen auch Julia St. Cartier zählte.
Doch diesmal hatte er sie ertappt.
»Wenn du nicht mal mehr unerkannt ein Stück Zitronenkuchen genießen kannst, dann ist das in der Tat eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte, Schwesterherz. Aber trotzdem sehr informativ …« Sein Tonfall veränderte sich. »Aber Scherz beiseite, Jules, ich brauche ein paar Informationen.« Er zögerte. »Über Lawrence St. Cartier.«
»Über Onkel Lawrence …?«
Julia ging, ohne innezuhalten, an den angesagten Jaeger- und Habitat-Länden vorbei.
»Was für Informationen?«
»Ist er zusammen mit deiner Mutter aufgewachsen?«
Julia runzelte die Stirn.
»Seltsame Frage.« Sie nahm einen Schluck von ihrem Latte. »Nein – sie waren Zwillinge. Meine Großmutter starb bei ihrer Geburt; der Großvater ist im Krieg gefallen. Die Zwillinge wurden der Sozialfürsorge übergeben, dann während der Evakuierung bei den deutschen Bombenangriffen getrennt. Meine Mutter verschlug es nach Kent, Lawrence nach Ayr in Schottland. Die beiden sind sich erst wieder begegnet, als ich siebzehn war – er war damals bereits Jesuitenpriester. Er lebte zu der Zeit in New York.«
»Wie alt warst du, als du ihn das erste Mal gesehen hast, Julia?«
»Ich habe ihn mein ganzes Leben lang gekannt, aber ich habe ihn immer nur bei besonderen Gelegenheiten gesehen – bei Geburtstagen, zu Weihnachten oder so. Er war als Priester in Rom, als ich geboren wurde, dann bei der CIA . Er war immer viel auf Reisen. Warum?«
»Pass auf, Jules. Kannst du für mich einen Blick auf Lawrence’ Geburtsurkunde werfen?«
»Die ganzen Akten wurden im Krieg vernichtet.«
»Julia, hör mir zu. Das ist wirklich wichtig. Gibt es irgendeine Möglichkeit, einen beglaubigten Nachweis über Lawrence’ Geburtsdatum beizubringen?«
»Nick, ich habe das vor Jahren schon mal versucht, vor meiner Hochzeit; Onkel Lawrence war mein Trauzeuge. Es gibt keine Unterlagen über Lawrence St. Cartier.«
Autobahn in der Normandie,
Frankreich
»Das gibt es doch nicht!«, stöhnte Nick. »Schau, es müssen doch irgendwelche Aufzeichnungen existieren.« Er ließ nicht locker. »Aus dem Waisenhaus, der Schule, von Ämtern oder dergleichen …«
»Die plausibelste Erklärung ist die, dass seine Daten aus den öffentlichen Registern getilgt wurden, als er zur CIA ging. Das wäre einleuchtend. Aber, Nick, was soll das Ganze?«
Nick blickte in das Kameraauge des Handys.
»Julia, darf ich dich mal was fragen?«
Ein langes Schweigen folgte.
»… etwas Persönliches?«
Nick zögerte, dann holte er tief Luft.
»Glaubst du an Jesus Christus?«
Julia starrte ihn über das Handy an. Es hatte ihr die Sprache verschlagen.
»Ob ich woran glaube?«, fragte sie schließlich.
Nick sah, wie sie sich in die Tür eines Designer-Guild-Ladens duckte. Sie nahm den Ohrhörer heraus. Ihr Gesicht verschwand von Nicks Bildschirm, als sie das Handy ans Ohr hob, um direkt ins Mikrofon hineinzusprechen.
»Nick«, sagte sie besorgt, »nimmst du irgendwelche neuen Medikamente?«
»Es hat nichts mit Medikamenten zu tun, Schwesterherz«, antwortete Nick leise.
Er lächelte in die Kamera, obwohl er wusste, dass sie es nicht sehen konnte. Dann zuckte er die Achseln.
»Jules, schau mal, ob du was für mich erreichen kannst. Ich sehe dich am Samstag mit Lily auf Mutters
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