SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)
den noch wichtigeren Inhalt derselben, bevor die „Fluchtversuche“ der Steaks und Borschsuppe zu einem „Politikum“ wurden.
Besatzungsmitglieder der Dienstwachen versuchten breitbeinig und sich mit den Händen an Wänden abstützend, von A nach B zu gelangen und so größere Risiken für Leib und Leben abzuwehren.
Leichte und mittelschwere Prellungen waren an der Tagesordnung.
Juri Pasov hatte zwar keine Seewache zu gehen, das war Aufgabe der Wachoffiziere. Juri lebte jedoch deswegen nicht besser als alle anderen an Bord unter diesen Umständen. Er lag in seiner normalerweise gemütlichen Koje und konnte kein Auge zukriegen. Einerseits störte es hundsgemein in den Schlaf zu kommen, wenn man bestrebt ist, nicht in der Koje hin und her zu rollen, und andererseits einem Gedanken durch den Kopf gehen, die die Sicherheit von Schiff und Besatzung betreffen. Und noch dazu diese Sache mit dem Eiskoloss, was darin eingeschlossen schien und was noch alles auf ihn zukommen würde.
Unter den Augen der Besatzung musste ein Kommandant immer erscheinen wie eine göttliche, alles beherrschende Gestalt, Vater, Mutter, Ratgeber, Richter und was nicht sonst noch alles.
Doch auch ein Kommandant, Herr nebst Gott an Bord, ist nur ein Mensch mit Ängsten, Sorgen und Ungewissheiten, wie jeder andere Sterbliche, zumindest was die seelischen Umstände angeht.
Was also ist anders an ihm? Eigentlich nur eins: Er darf vor den Untergebenen nie zeigen, wie gleich er ihnen ist.
Und das ist eine schwere psychische Aufgabe.
Ein knackendes Geräusch zeigte Yuri an, das gleich darauf eine Ansage von der Brücke durchs Interphon kommen würde. Es war 3.32 Uhr nachts, wie seine Kabinenuhr mit rötlich leuchtenden Nummern anzeigte.
Hundewache.
„Kommandant, hier Brücke, Dritter Offizier, ein Radar zeigt ein sehr großes Objekt dreizehn Seemeilen an Steuerbord voraus an. Es könnte NJ 132 441 PN sein!“
Dieser Code stellte die Bezeichnung für den Koloss dar.
„Danke, Dritter, ich bin sofort oben!“
Gerade als er ein Bein aus der Koje an Deck bekam, tauchte der Steven tief hinab in ein Wellental und Yuri rollte aus der Koje. Und das nicht eben majestätisch oder kapitänswürdig.
Korkenziehergleich erklomm das Schiff den nächsten Wellenkamm und Yuri fand sich nahezu unter dem Schreibtisch des Arbeitszimmers wieder, eine Hand abstützend am Boden und in der andern einen Stuhl, der eigentlich als Aufstehhilfe hatte herhalten sollen. Ein stechender Schmerz im linken Handgelenk ließ den Kommandanten einen Fluch durch zusammengebissene Zähne ausstoßen.
Das hatte ihm gerade noch gefehlt.
So gut es ging, bekleidete er sich, zog als Letztes den groben Reißverschluss der seefesten Steppjacke mit der rechten Hand zu, immer bedacht, das Gleichgewicht zu halten und insgeheim dankend, dass die linke Hand den Knacks abbekommen hatte.
Gott sei Dank bin ich Rechtshänder , dachte er und knirschte mit den Zähnen.
Er stand schwankend vor dem an der Wand über seinem Schreibtisch angebrachten Kreuz Jesu und verneigte sich mit leichtem Buckeln.
Auf jeden Fall würde der Bordarzt das verletzte Handgelenk, was mehr und mehr schmerzte, zu begutachten haben.
Yuri stieg gegen die Schiffsbewegungen ankämpfend Schritt um Schritt, Stufe um Stufe zur Brücke empor.
Als er eintrat, tat er es in nahezu völliger Dunkelheit.
Die verschiedenfarbigen Lämpchen des Fahrpultes waren die einzige Lichtquelle.
Rechts von ihm, also von der Steuerbordseite her, erscholl:
„Guten Morgen, Herr Kommandant. Alle Wachstationen besetzt. In jeder Nock ein Mann sowie zwei Mann im Krähennest auf dem Signalmast. Keine weiteren Vorkommnisse!“
Eine schwere Gischtwolke setzte die Brückenfenster unter Wasser. Die rotierende Klarsichtscheibe stellte jetzt den einzigen, manchmal wasserfreien Sichtkontakt zum Vorschiff und der Heliplattform dar.
Die Matrosen der Nockenwache duckten sich schutzsuchend.
All dies nahm der Kommandant aus den Augenwinkeln trotz der Dunkelheit war.
„Danke. Lassen Sie Herrn Masrow wecken.“
„Den Arzt, Herr Kommandant? Was ist passiert?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm der Offizier einen Telefonhörer auf, drückte eine nummerierte Taste und bat den Gesprächspartner, sofort auf der Brücke zu erscheinen.
Der Gerufene erschien wie der Blitz im Ruderhaus.
Nach nur einigen Worten seitens des Kommandanten war dem Arzt klar, dass das Handgelenk geröntgt werden musste, gebrochen war es jedoch allem Anschein nach
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