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SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)

SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)

Titel: SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Kittner
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zu nennen, Kurzform seines eigentlichen Namen Joloumoo, der dieser Namensverstümmelung nicht widersprach.
    „Jo, was, meinst du, sahen wir alle gestern Nacht?“, fragte Bergson von einer Seite her, und bevor dieser noch antworten konnte, bekam er schon von der andern die Frage:
    „Meinst du, dass es dahin einen Weg gibt, den wir ohne spezielle Bergsteigerausrüstung begehen können?“
    Jo kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf, dann am rechten Oberarm und ohne etwas zu sagen, nahm er einen seiner Wurfpfeile in die linke Hand. Ein Linkshänder unter den Aborigen, das sehe ich zum ersten Mal , dachte Professor Doktor Walter, während Jo etwas mit der Pfeilspitze in die rote Erde ritzte, den Ayers Rock, nur kantiger als das Original, das vor ihnen im morgigen Sonnenlicht lag. Rundherum strichelte Jo etwas, was aussah wie gefällte, dann etwas weiter zu den Seiten hin hochgewachsene Bäume.
    Auf der linken Seite der Zeichnung und in nicht geringer Höhe kamen aus einer Öffnung, die einer Tür glich, zweibeinige Gestalten mit übergroßen Augen und riesigen Köpfen heraus. Allem Anschein nach schwebten diese Figuren.
    Jo begleitet seine Linien und Striche im Sand, die kleine Staubwirbel aufwarfen, mit Worten seiner Sprache, das Palaver der Anangu, das jedenfalls nahmen die beiden Weißen an.
    Jo hielt inne mit der Zeichnerei und fuhr in Pidgin-Englisch fort: „In einer Zeit, lange bevor die Anangu dieses Land eroberten und riesige Tiere, riesige Pflanzen alles bedeckten, die Sonne an anderer Stelle aufging als heute, die Wasser der Flüsse viel schneller liefen und in viel größerer Breite das Land zerteilten, die einzigen Menschen, die wir Ahloo nennen, sich mehr auf Bäumen aufhielten als auf der Erde, deren Arme länger als ihre Beine waren, deren Leben darin bestand, Beeren und Wurzeln, Vogeleier und Kleintiere zu suchen, um die Sippe zu ernähren, als also alles in Einklang erschien mit dem Rest der Natur, Feuer ihre Herzen in Angst versetzte und Blitze trockene Gräser und Büsche in Brand steckten, geschah etwas nie zuvor Dagewesenes. Der Himmel schrie wie ein Urtier, lauter als alles, was sie bisher kannten. Mächtige Windböen rissen Bäume, Tiere, Felsen und sogar Wasser aus den Seen in die Höhe. Riesige Feuerlanzen fuhren auf die Erde nieder. Ein enormes Etwas, flammenumhüllt, zerbrach die Erdkruste, alles wurde dunkel, für viele, viele Monde. Als die Sonne die Dunkelheit nach langem Kampf besiegte, die umgerissenen Bäume zu neuem Leben erwachten, Tiere die Angst verloren oder zu jung waren und daher das Chaos nicht gekannt hatten und sich wieder in die Nähe des Dinges wagten, fanden sie anstelle von Bäumen und Büschen ein felsartiges, rotes Gebilde: Uluru, Ayers Rock, wie ihr es nennt. Uluru-Kata Tjuta nannten sie das Land rundherum und sie tanzten zur Ehrung der Natur den Corroborie. Aus diesem kamen menschenartige Wesen mit großen schwarzen Augen, langen Beinen und Armen sowie haarlosen Köpfen und brauner Hautfarbe, unsere Ur-Ur-Ahnen des Volkes der Anangu. Sie brachten das beherrschbare Feuer und damit das Leben. Sie redeten in vielen Sprachen. Sie brachten viele Sachen mit, die unser Volk heute wieder vergessen hat. Sie bevölkerten das Land mit Tieren, die es vorher hier nie gab. Und das Wichtigste: Die Ahnen konnten geräuschlos durch die Lüfte wandern, die Tiere jedoch nicht.“
    Jo holte tief Luft.
    Dies war sein längstes Palaver, seit er das Recht des Palavers hatte.
    Warum er dies alles diesen beiden Weißgesichtern erzählt hatte, wurde ihm selbst nicht ganz klar, wie er später am Feuer seinen Leuten berichtete.

Mamoud und Yusuf
    29. Mai
     
     
    Die jungen Fischer aus Loyada brachten es von Sonnenaufgang an bis kurz vor dem Zenit derselben auf eine beträchtliche Anzahl gefangener Fische, die in kleinen Plastikfässern zwischengelagert ihrer Schlachtung harrten.
    Yusuf ließ die Angelleine, neu bestückt mit Köder, über den Zeigefinger seiner rechten Hand ablaufen, während er in der linken eine Plastikflasche zum Mund führte, um einen Schluck Wasser zu trinken, den Kopf weit ins Genick gebogen.
    Das Senkblei war am Meeresgrund angekommen, der Zug an der Angelleine unterbrochen. Yusuf belegte die Leine einhändig an Bord. Mamoud ergriff im selben Augenblick ein Messer, mit gebogener Klinge, um einem Fisch, nach dem er langte, den Bauch aufzuschlitzen, die Eingeweide herauszureißen und dann den toten Körper in eine Holzkiste zu werfen, auf deren Boden eine dicke Salzschicht

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