SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)
Minuten später rollte eine alte, klapprige und asthmatische, zweimotorige DC 3 ohne sichtbare Kennzeichen aus der Halle 4, zweigte vom Runway auf eine abseitige Piste ab, nahm Fahrt auf hob nach gut 550 Metern brummend ohne offizielle Starterlaubnis und Flugplan ab.
Der Blechvogel verschwand mit ONO-Kurs über dem spiegelglatten Meer, flog hinein in die zunehmende Dunkelheit, wobei sie einen Marinekonvoi, in dessen Mitte ein gigantischer Flugzeugträger, an dessen Kommandoturm eine meterhohe Nummer 72 im abflachenden Tageslicht noch eben für den Copiloten sichtbar wurde, an Backbord links liegen ließen.
Die amerikanische ABRAHAM LINCOLN auf dem Weg in den Golf , dachte er, bevor ihn seine Kursänderung das Gesehene schon fast vergessen ließ.
Gibraltar – Cabo de Gata
3. Juni
Die sanfte achterliche See spülte von Zeit zu Zeit über das Hauptdeck, während die Besatzung das Mini-U-Boot und den Bordkran wartete sowie deren Funktionstüchtigkeit überprüfte.
An Bord hatte es einige Diskussionen wegen der neuen Order gegeben, aber keine Aufstände, was natürlich sowieso niemand erwartete. Mehr noch, ein Großteil der Seemänner und die Wissenschaftler und Techniker waren angetan von der Idee, in Barcelona eine Pause von der Schaukelei und dem nicht endenden Wasser rundherum einlegen zu können.
Aus der kleinen Bordbibliothek waren plötzlich alle Bücher, Landkarten und Stadtpläne der katalanischen Stadt und näheren Umgebung vergriffen.
Kein Wunder, gab es doch nur wenig diesbezügliches Lesematerial.
Gibraltar und die urplötzliche nächtliche Anmorsung eines potenten Signalscheinwerfers seitens der Kontrollstation des Felsens waren schon fast vergessen.
Auf dessen Anfrage mit dem Morsebuchstaben A,-,-,-, direkt auf das vorbeifahrende Schiff gerichtet, damit klar stand, welches der passierenden Wasserfahrzeuge in diesem Moment angerufen wurde, musste geantwortet werden. Bei der Vielzahl von Schiffen, die fast gleichzeitig dieses natürliche Nadelöhr in das oder aus dem Mittelmeer fahren, wurde ein jedes daher punktgenau anvisiert, und dazu der Anruf auf Kanal 16 des UkW im gleichen Augenblick, mit der Aufforderung, den Schiffsnahmen, dann sein internationales Kennzeichen, Auslaufhafen, Bestimmungsort und Ladung zu übermitteln.
Wachoffiziere, die dies absichtlich oder unabsichtlich versäumten oder so taten als hätten sie nichts gesehen, mussten dann oft verschreckt miterleben, dass sie irgendwoher von See aus mit kräftigen Scheinwerfern beleuchtet wurden, die an Bord schneller grauer Marinefahrzeuge aufgestellt zu sein pflegen.
Das ist allen Seeoffizieren bekannt.
Später kam dann, nach dieser Missachtung der Norm, unweigerlich seitens der eigenen Reederei noch ein gewaltiger Anschiss, denn die erhielt schon nach wenigen Tagen einen Posteingang einer Institution ihrer englischen Majestät.
Jan konnte nach dieser Kontrollprozedur seine restliche Wache normal weitergehen.
Einen Liter Filterkaffee runterschlucken, Rauch von unverzollten Zigaretten durch die überstrapazierten Lungen ziehen, von einer Seite der Brücke zur anderen gehen, um die, immer pünktlich zwischen 3 und 4 Uhr morgens, eintretende Müdigkeit auszutricksen.
Der Kurs 78 Grad lag an, Abstand zum Cabo de Gata noch schlappe 61 Seemeilen.
Pünktlich wie immer betrat Gert Bau, der „Alte“, die Brücke.
„Moin, Steuermann, wie sieht’s aus?“
Wie sollte es schon aussehen nach so einer Nachtwache unter leichtem bis mittelschwerem Fieber?
Jan unterrichtete seinen Kapitän von seinem persönlichen, kurzweiligen „Blackout“, gab den Kurs an sowie die verbleibende Distanz zum Kap.
Gert Bau machte ein bedenkliches Gesicht.
„Halten Sie das durch, Steuermann, oder soll ich Sie in Barcelona ablösen lassen?“
Jan markierte den starken Mann, dachte dabei jedoch auch an seine Angebetete.
„Ablösung, nicht nötig, mir geht’s schon wieder bestens!“
Eine glatte Lüge, denn in ihm brodelte und kochte es wie im Vesuv kurz vor dessen Eruption.
Er wies auf die mitlaufenden und entgegenkommenden Fahrzeuge hin, eines davon genau im Licht der über der Kimm stehenden Sonne, und verließ die Brücke mit dem üblichen: „Gute Wache!“
„Gute Ruhe!“, die Antwort wie immer und dann: „Gute Besserung, Mate!“
Als Jan den Niedergang zur Messe hinunterstapfte, sah er, dass Ute von Braun ihn an dessen Fuß erwartete.
Das war neu.
Jan nahm die letzten Stufen und warf dabei noch einen fragenden Blick auf Ute,
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