Sokrats für Manager
zum Menschen aber nicht nur in der Selbstanalyse. Es war ebenso sein erklärtes Ziel, dem Wohl seiner Mitmenschen zu dienen, indem er auch ihnen bei ihrer Suche nach Wahrheit und Lebenssinn helfen würde. Im Gespräch mit Antiphon, einem Sophisten, brachte dieser seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass Sokrates es vorzog, mit armseliger Kleidung und – außer bei Festgelagen, zu denen er häufig eingeladen wurde – mit einfacher Speise und Trank zu leben. Antifon vertrat die Ansicht, dass große Weisheit auch ihre Belohnungen haben müsste, wenn sie sich lohnen sollte. Sokrates ant-wortete ihm auf seine Auflistung der Vorteile des Reichtums: »Meinst du aber, das Vergnügen, das dergleichen Beschäftigungen gewähren, sei mit dem zu vergleichen, das aus dem Bewusstsein ent-springt, sich selbst und seine Freunde immer besser zu machen? Dies ist immer meine Maxime gewesen, und wird es immer bleiben. Wenn es darauf ankommt seinen Freunden oder der Republik nützlich zu sein, wer wird mehr Muße haben, sich dafür zu verwenden, einer, wie du mich hier siehst, oder einer der das Leben führt, das du selig preisest. Wer taugt besser für den Krieg? Einer der ohne eine köstliche Tafel und die ausgesuchtesten Bequemlichkeiten gar nicht leben kann, oder dem was da ist genügt? Wer wird eine belagerte Stadt bälder übergeben, einer der mit dem geringsten, was man überall findet, zufrieden ist, oder der eine Menge schwer zu befriedigender Bedürfnisse hat? Du, Antifon, scheinst die Glückseligkeit in Üppigkeit und großem Aufwand zu setzen; ich hingegen bin überzeugt, dass nichts bedürfen etwas Göttliches und also das Beste ist, und die wenigsten Bedürfnisse haben, das was dem Göttlichen am besten am nächsten kommt.« Sokrates fand seine Erfüllung darin, sich selbst und anderen zu besseren, wichti-geren Prioritäten zu verhelfen und das wirklich Gute im Leben anzustreben.
Bleibe bescheiden und hilf auch anderen dabei, bessere Menschen zu werden.
Sokrates hatte echte Freude daran, ein Mentor für Jüngere und Unerfahrenere zu sein. So erklärte er Antifon: »Was mich selbst betrifft, Antifon, so weißt du, jedermann hat so seine eigene Liebhabe-rei; dieser an einem schönen Pferde, jener an einem schönen Hunde oder Vogel; die meinige war immer, edle Menschen zu Freunden zu haben. Weiß ich etwas Nützliches, so teil’ ich es ihnen mit, empfehle sie auch andern, deren Umgang ihnen behilf-lich sein kann, im Guten zuzunehmen.« Wissen sah er als Verantwortung, und er ließ sich bei deren Wahrnehmung nicht von selbstsüchtigen Motiven leiten: »Eben so ist es mit den Gelehrten. Diejenigen, die ihre Wissenschaft um Geld verkaufen, heißen Sophisten; wer hingegen einen jungen Menschen von glücklichen Anlagen kennen lernt, und indem er ihm das Beste, was er weiß, mitteilt, keinen andern Vorteil dabei sucht, als einen Freund zu gewinnen, von dem sagen wir, er tue, was einem edeln und biedern Bürger geziemt.« Es ist leicht zu sehen, warum Sokrates bei der jungen Elite Athens so beliebt war. Und auch Sie können in Ihrer Rolle als Manager ein Mentor für andere sein. Jeder Mitarbeiter, der einen Vorgesetzten hat, der ihm bei der Entwicklung seines eigenen Potenzials hilft, kann sich glücklich schätzen. Und jeder, der solch ein Vorgesetzter ist, wird langfristig von seinem Umfeld als positiver Einfluss geschätzt werden.
Die eigenen Begrenzungen überwinden
Sokrates war kein weltfremder Philosoph. Seine Selbsterkenntnis ging einher mit einer tiefen Men-schenkenntnis, denn wer sich selbst kennt, kann auch die anderen besser durchschauen und einschätzen. So wandte sich Sokrates bei seiner Wahrheitssuche meist an die Menschen, von denen er am ehesten erwarten konnte, dass sie sich in der jeweiligen Materie auskannten. Praktisch alle Dialogpartner Sokrates’ waren typische Vertreter eines bestimmten Standes in Athen und besaßen deshalb auch die typischen Vorurteile und eingegrenzten Perspektiven dieser Bevölkerungsgruppe. Als Sokrates zum Beispiel mit Laches sprach, der sich als tapferer Soldat und Befehlsha-ber der athenischen Streitkräfte einen Namen gemacht hatte, griff er das Thema der Tapferkeit auf. Selbstverständlich definierte Laches Tapferkeit entsprechend als die Eigenschaft, im Krieg nicht vor dem Feind zurückzuweichen. Als Sokrates ihn dann fragte, ob jemand nicht etwa auch angesichts anderer widriger Umstände, wie Gefahren zu See, Krankheit oder Armut, Tapferkeit an den Tag legen
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