Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Anschaffungen mit dem Verwalter, ließ sich Abrechnungen über An- und Verkäufe geben und passte auf, dass alles weiterlief wie bisher. Er blieb immer zwei bis drei Tage.Neben den Dingen, die er zu erledigen hatte, blieb jedes Mal reichlich Zeit, die er mit Feodora verbringen konnte. In diesen Tagen lebte sie auf. Immer hatte er interessante Dinge zu berichten, erzählte von dem gesellschaftlichen Leben in Königsberg und hielt sie auf dem Laufenden über wichtige politische Ereignisse.
Es war Ende März. Bei einem Spaziergang genossen sie die ersten warmen Sonnenstrahlen, aber als die Sonne hinter den Bäumen verschwand, wurde es sofort empfindlich kalt. »Lass uns reingehen und etwas Warmes trinken«, sagte Karl. »Meine alten Knochen können die Kälte nicht mehr so gut vertragen.«
Nachdem Ludolf ihnen einen Grog serviert hatte, sagte Karl: »Die Geschäfte laufen hervorragend. Die Tuchfabriken werfen einen fabelhaften Gewinn ab. Wie soll ich das Geld investieren, Feodora. Hast du einen bestimmten Wunsch?«
»Keine Ahnung. Tu das, was du für richtig hältst.« Nichts interessierte sie weniger als Geld. »Geld hat man!«, hatte ihr ungeliebter Gatte ständig gesagt. Sie wollte nichts davon hören. Es war ihr zuwider.
Es war im Mai an einem warmen Frühlingstag. Feodora war seit langer Zeit wieder ausgeritten. Als sie zurückkam, erhitzt und glücklich über das Wiedererwachen der Natur, fand sie Karl auf der Terrasse. »Du warst doch gerade erst da«, rief sie erstaunt. »Was treibt dich denn schon wieder nach Gut Eichen?«
»Ich möchte dir etwas zeigen«, sagte er, »und außerdem will ich ein ernstes Wort mit dir reden.«
Feodora sah ihn erstaunt an. »Heinrich ist jetzt über ein halbes Jahr tot«, fuhr er fort. »Deine Trauer in allen Ehren, aber es ist bestimmt nicht in seinem Sinn, dass du dich füralle Zeit hier auf Gut Eichen vergräbst. Also sieh dir das mal an.« Er legte einige Fotografien vor sie auf den Tisch.
»Was ist das?« Feodora setzte sich.
»Du hast mir freie Hand gelassen, was die Anlage deines Vermögens betrifft.«
»Ja, ja natürlich.«
»Was im Übrigen beträchtlich ist.«
»Ich kann es mir denken.«
»Auf den Fotografien ist ein Haus. Es befindet sich in Königsberg in der Münzstraße, ganz in der Nähe des Schlossteiches. Ein paar Minuten zu Fuß, und du bist am königlichen Schloss, am Paradeplatz und im Theater.«
»Und was hat das mit mir zu tun?«
»Ich habe das Haus für dich gekauft.«
»Aber, Karl … ich weiß nicht …« Zögernd nahm Feodora die Bilder in die Hand.
»Nun sieh sie dir doch wenigstens einmal an. Das Haus hat einen wunderschönen gepflegten Garten, im Erdgeschoss zwei große Salons, ein Speisezimmer, eine Bibliothek und im Seitenflügel die Wirtschaftsräume.« Karl hatte sich auf die Armlehne ihres Stuhls gesetzt. »Siehst du hier, im ersten Stock sind vier Schlafzimmer mit eigenen Bädern. Es ist prachtvoll eingerichtet. Ich bin sicher, es wird dir gefallen.«
»Es ist wirklich sehr schön.« Hilflos betrachtete Feodora die Abbildungen. »Aber was soll ich in Königsberg?«
»Leben sollst du, mein Kind, leben!« Karl war aufgesprungen und ging erregt hin und her. »Ich mache mir Sorgen um dich. Du bist gerade mal zwanzig Jahre alt, bildschön … Du hast jetzt lange genug getrauert.« Er schwieg einen Moment. »Ich wusste übrigens gar nicht, dass du Heinrich so sehr geliebt hast.« Ohne eine Antwort abzuwarten,fuhr er fort: »Wenn ich doch bloß nicht so ein alter Dackel wäre …«
Sie legte den Arm um ihn. »Ach, Karl, du bist doch mein liebster Freund.«
Am nächsten Tag ritt sie nach Klein Darkehmen.
»Feda, was für eine Freude.« Ida umarmte strahlend ihre Freundin. »Du siehst so verändert aus. Ist etwas passiert?«
»Was hältst du davon, wenn ich nach Königsberg ziehe? Karl hat dort ein Haus für mich gekauft.«
Ida war für einen Moment sprachlos. »Wie hat er es denn geschafft, dich aus deiner Einsamkeit zu holen?«
»Ich glaube, er hat recht, ich darf mich nicht selbst lebendig begraben. Ich verkümmere langsam so allein auf dem Land. Ich werde nächste Woche nach Königsberg fahren und es mir ansehen. Kommst du mit?«
»Was für eine Frage! Natürlich, das lasse ich mir nicht entgehen. Zeig die Bilder her. Mein Gott, das ist ja wirklich wunderschön.« Sollte das die Wende in Feodoras Leben sein? Ida schöpfte wieder Hoffnung.
Als sie eine Woche später das Haus in Königsberg betraten, kamen die beiden jungen
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