Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Kosaken.« Leopold liebte es, wenn sie sich so undamenhaft ausdrückte.
Sie reisten abwechselnd mit Pferdekutschen und der Eisenbahn. Je weiter sie nach Norden kamen, desto beschwerlicher war die Reise, und vor allem wurde es immer kälter. Die Straßen, zum Teil holprige Wege mit tiefen Schlaglöchern, waren vom Regen aufgeweicht. Nataschas Übelkeit nahm täglich zu. Ab Posen versank das Land im Schnee, und so konnten sie das letzte Stück der Reise in einem Schlitten zurücklegen, was für Natascha, der es immer schlechter ging, wesentlich angenehmer war.
Gleich nach ihrer Rückkehr schickte Leopold nach Doktor Grüben. Konrad Grüben und er hatten zusammen die Matura gemacht und waren seit ihrer Jugendzeit enge Freunde. Nachdem Grüben sich in Insterburg als Arzt niedergelassen hatte, wurde er der Hausarzt von Schloss Troyenfeld. Natürlich war auch er auf der Hochzeit gewesen und wie alle anderen Herren beeindruckt von der Schönheit der Braut.
»Na, was gibt’s, alter Lorbas«, begrüßte Grüben seinen Freund. »Wo drückt der Schuh. Seit wann seid ihr denn zurück?«
»Wir sind gestern angekommen, und Natascha ist in einem schrecklichen Zustand.«
»Um Gottes willen, was fehlt ihr denn?«
»Ihr ist ständig übel, du weißt schon: das Schaukeln der Kutschen. Die Straßen sind ja zum Teil in einem verheerenden Zustand …«
Grüben nahm seine Arzttasche. »Ich werde sofort nach ihr sehen.« Als Leopold mitkommen wollte, sagte er nur: »Bleib du man schön hier. Beruhige dich mit einem Schnaps. Ich bin gleich zurück und trinke dann einen mit.«
Schnellen Schrittes eilte er zu dem gemeinsamen Schlafzimmer von Natascha und Leopold. Er ahnte bereits die Diagnose. Nach einem leisen Klopfen trat er ein. Die Vorhänge waren zugezogen, und eine kleine Petroleumlampe spendete ein schwaches Licht. Nur an den üppigen schwarzen, auf den weißen Kissen ausgebreiteten Haaren erkannte er die schmale Gestalt, die mit einem dicken Plumeau zugedeckt war. Ihr Gesicht war kalkweiß, um die Augen hatten sich dunkle Schatten gebildet. »Natascha, ich bin es, Konrad Grüben, euer Hausarzt. Erinnerst du dich, ich war auf eurer Hochzeit?«
»Ach ja.« Sie öffnete langsam die Augen und lächelte ein wenig. »Du hast dich am nächsten Tag um Väterchen gekümmert. Er hatte wie immer zu viel gegessen und getrunken.«
Nicht nur er, der gesamte Seitenflügel war in einem üblen Zustand gewesen , dachte Grüben amüsiert. »Aber jetzt wollen wir doch mal sehen, was dir solche Beschwerden macht. Leopold ist in großer Sorge um dich.«
Nach einer kurzen Untersuchung fand er seine Vermutung bestätigt. »Wie lange geht das schon mit der Übelkeit am Morgen?«
»Ich weiß nicht so genau. Ich glaube, kurz nachdem wir in Rom angekommen sind, hat es begonnen.«
Grüben setzte sich zu Natascha auf die Bettkante und nahm ihre Hand. »Du bist nicht krank, Natascha, du bist schwanger.«
»Schwanger? Nein, das geht nicht.« Sie hatte sich aufgesetzt. »Ich will demnächst nach St. Petersburg. Ich kann nicht schwanger sein!«
Grüben glaubte, dass sie ihn nicht richtig verstanden hatte. »Du bist schwanger, Natascha, du bekommst ein Kind. Freust du dich denn gar nicht? Leopold wird selig sein.«
»Schon möglich«, sagte sie mit tonloser Stimme. »Ich bin es jedenfalls nicht.« Sie vergrub ihr Gesicht in den Kissen.
»Ich lasse dir Tropfen da. Nimm davon jeden Morgen zehn, sie werden dir guttun.« Ratlos verließ Grüben das Zimmer. Wie sollte er seinem Freund diese Reaktion erklären?
Leopold erwartete ihn unruhig im kleinen Salon. »Nun, was fehlt meiner Frau? Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes?«
»Nein, da kann ich dich beruhigen. Natascha ist nicht krank, sie ist schwanger. Sie muss im dritten Monat sein.«
»Schwanger? Wie wunderbar, unsere Liebe wird gekrönt mit einem Kind!« Leopold fiel seinem Freund um den Hals. »Das müssen wir gleich begießen.« Er lief zur Tür. »Aber erst muss ich zu ihr.«
Grüben stellte sich ihm in den Weg. »Ich habe ihr etwas gegeben, sie schläft jetzt. Die Reise war doch sehr anstrengend für sie in ihrem Zustand.«
»Du hast recht, ich werde später zu ihr gehen.«
Alfons, immer in der Nähe seines Herrn, stand bereits in der Tür. Er strahlte. »Was darf ich den Herren servieren?Champagner?« In spätestens einer Stunde würde das ganze Schloss über den Familienzuwachs auf Troyenfeld Bescheid wissen.
Als Grüben wenig später in seinem Landauer das Schloss verließ, dachte er
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