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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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immer noch Mamsell, nun schon seit über vierzig Jahren, und so erfuhr Carla alles über Nataschas »unmögliches Benehmen«, wie sie es Hanno gegenüber nannte. »Diese Frau macht meinen armen Bruder todunglücklich«, sagte sie immer wieder. »Ich habe es von Anfang an gewusst!« Als sie von der Schwangerschaft erfuhr, hatte sie zunächst einmal nachgerechnet, ob das Kind tatsächlich von Leopold sein konnte.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen?!« Hanno war empört gewesen über die Gedanken seiner Frau.
    »Eins kann ich dir sagen«, hatte Carla wütend gesagt. »Wenn diese Person es gewagt hätte, meinem Bruder einenrussischen Bankert anzuhängen, wäre ich zur Furie geworden. Und nun gib mir einen Cognac!«
    Leopold tauchte aus seinen Gedanken auf. Irgendetwas war plötzlich anders. Das Schreien hatte aufgehört!
    »Herr Graf, Herr Graf!« Alfons stieß, ohne anzuklopfen, die Tür auf. »Herr Graf haben eine Tochter!«
    Wie erstarrt blieb Leopold sitzen. Eine Tochter! Natascha hatte immer nur von einem Sohn gesprochen, dem Erben des Geschlechts der Troyenfelds. Danach wollte sie keine Kinder mehr. »Ich werde dir den ersehnten Erben schenken, und danach ist Schluss«, hatte sie mehrmals betont.
    »Herr Graf«, sagte Alfons erneut. »Wollen Sie nicht …«
    »Natürlich, Alfons, ich komme.« Langsam ging Leopold hinüber in den Seitenflügel. Fast fürchtete er sich vor dem enttäuschten Gesicht seiner Frau.
    Als er das Schlafzimmer betrat, kam die Hebamme ihm strahlend entgegen. In ihrem Arm lag ein kleines, in weiße Tücher gewickeltes Bündel. Nur ein Büschel tizianroter Haare lugte aus den Tüchern hervor. »Wat für ein hübschet kleenes Mädchen«, sagte sie und legte ihm sein Kind in den Arm.
    In diesem Moment durchströmte Leopold ein Glücksgefühl, wie er es noch nie verspürt hatte. Tränen der Freude schossen ihm in die Augen, und er wusste, er würde dieses kleine Wesen lieben. Mit einem Mal war ihm egal, was Natascha sagen würde. Sie lag in dem Bett, das Gesicht so weiß wie die Laken. Ihre Augen waren geschlossen und die blutleeren Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
    »Sie ist so süß«, flüsterte Leopold mit bebender Stimme, »und so winzig.«
    »Es ist ein Mädchen, und auch noch mit roten Haaren«, sagte Natascha mit tonloser Stimme, ohne die Augen zu öffnen. Sie war starr vor Enttäuschung.
    Erna sah Leopold mitleidig an. »Dat wird schon wieder«, flüsterte sie ihm beim Hinausgehen zu. »Lass ihr man erst en bisken erholen.« Dann wandte sie sich an Natascha. »Die Amme kommt jleich morjen in de Früh.« Selbst zu stillen war für die junge Mutter eine Zumutung.
     
    Natascha erholte sich schnell von der Geburt und begann wieder am häuslichen Leben teilzunehmen. Nur für ihr Kind interessierte sie sich kaum. Sie überließ fast alles der Amme. Die Lieferungen aus Paris wurden vom Speicher geholt, ausgepackt, und bald passten ihr auch die bei Worth bestellten Kleider wieder. Sie zog zurück in das gemeinsame Schlafzimmer, und beim Liebesspiel schrie sie auch wieder die russischen Worte, die Leopold nicht verstand. Er war unfassbar glücklich. Sein einziger Kummer war Nataschas Desinteresse an ihrem entzückenden Kind.
    »Wie wollen wir sie denn nennen, unsere Kleine?«, fragte er seine Frau einige Tage nach der Geburt.
    »Such du einen Namen aus, mir ist es egal«, antwortete Natascha gleichgültig.
    Das Mädchen wurde auf den Namen Feodora getauft.
    Es war ein paar Tage nach der Taufe, als Natascha ihrem Mann sagte, dass sie sofort nach St. Petersburg reisen wolle.
    Leopold war wie erstarrt. »Warum so plötzlich?«
    »Ich hoffe, du machst mir deswegen keine Szene«, sagte Natascha kühl. »Es wird dir doch wohl nicht entfallen sein, dass wir vor unserer Heirat eine Abmachung getroffen haben. Ich kann jederzeit nach Hause fahren. Allein!«
    »Und was ist mit Feodora?«
    »Keine Angst.« Natascha lächelte spöttisch. »Deinen Augapfel lasse ich hier.«
    »Und wann willst du zurückkommen?«
    »Ich werde es dich rechtzeitig wissen lassen.« Sie drehte sich zu Alfons, der regungslos an der Anrichte stand und alles mitgehört hatte. »Lassen Sie anspannen, den Sechsspänner. Ich reise in zwei Stunden.«
    Leopold war wie gelähmt. Es war ihm egal, dass Alfons alles mit angehört hatte und sich diese Szene in Windeseile im ganzen Schloss und morgen in der Nachbarschaft verbreiten würde. Was ihn entsetzte, war das langsam aufkommende Gefühl, dass er vielleicht doch

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