Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
dat fürchterlich unanjenehm. Jottchen, war die booßig!«
Aus Carlas Gesicht war alle Farbe gewichen.
Emma goss ihr ein großes Glas Schnaps ein. »Trink dat, Kindchen, wird dir beruhijen.«
»Mich kann gar nichts beruhigen.« Carla war aufgesprungen und rannte hin und her. »Was soll ich denn jetzt machen, Emma. Ich kann mir doch von dieser Russin nicht mein Elternhaus verbieten lassen. Außerdem habe ich Leopold versprochen, ihm zu schreiben, wie es seiner Tochter geht.« Sie begann zu weinen.
»Nu nimm man erst mal mein Rotzkodder.« Emma reichte Carla ein riesiges kariertes Taschentuch. »Willste ‘nen Rat?«
»Ja, natürlich.«
»Sieh zu, dat dir die Steinle heute nich über den Weg läuft. Dat erspart euch beiden eine jroße Peinlichkeit. Dann kann se dir nämlich och nischt nich jesagt haben, verstehste?«
»Ja klar.«
»Jut. Und dann kommste inne Woche dat Komtesschen wieder besuchen. Und allet, wat sonst so los is, lass ik dir durch Elfriedchen wissen.«
Hanno war nicht da, als Carla am Mittag nach Hause kam. »Der Herr Baron ist mit dem Forstmeister in den Wald geritten. Wir erwarten ihn erst am Spätnachmittag zurück«, sagte Franz, als sie das Haus betrat.
Sie erinnerte sich. Hanno hatte am Morgen davon gesprochen. Vor ein paar Tagen hatte ein schweres Gewitter große Schäden angerichtet.
»Ich werde mich eine Stunde hinlegen, Franz. Sollte mein Mann früher zurückkommen, lassen Sie mich bitte wecken.«
Die Aufregung und der Ärger über ihre Schwägerin hatten Carla so sehr mitgenommen, dass sie sofort in einen Tiefschlaf fiel.
»Frau Baronin …« Lise, eines der Dienstmädchen, stand vor Carlas Bett. »Ik hab janz laut jekloppt, aber …«
»Ist schon gut, Lischen. Ich habe wie eine Tote geschlafen. Ist mein Mann schon zurück?«
»Er erwartet Ihnen im Pavillon.«
»Hilfst du mir beim Ankleiden?« Sie schlüpfte in ein leichtes weißes Musselinkleid, und Lise schloss die zahlreichen Knöpfe auf dem Rücken. »Danke, Lischen, und räum noch ein wenig auf.«
Hanno saß im Pavillon unter der großen Buche, wo sie im Sommer ihre Mahlzeiten einnahmen. Willi lag zu seinen Füßen und begrüßte sie schwanzwedelnd. Vor Hanno standen große Platten mit Würsten, Schinken und Pasteten, ein Topf mit Griebenschmalz und ein Korb mit frisch gebackenem Brot.
»Komm, lang zu, mein Mädchen«, rief Hanno gut gelaunt. »Ich habe schon angefangen. So ein langer Ritt macht einen riesigen Hunger.«
»Seit wann brauchst du einen Ritt, um Hunger zu bekommen? Und wieso isst du schon so früh?« In dem Moment schlug die Uhr der Kapelle sechs Mal. »Meine Güte, ich habe ja mehr als vier Stunden geschlafen!«, rief Carla. »Ich wusste gar nicht, dass es schon so spät ist.«
Während sie aßen, erzählte Carla ausführlich von den Vorfällen auf Troyenfeld. »Was sagst du denn nun dazu?«, fragte sie, während Hanno Unmengen von belegten Broten verschlang und ab und zu Willi einen Bissen zusteckte.
»Weißt du«, sagte Hanno bedächtig und wischte sich mit einer riesigen Serviette den Mund ab. »Im Grunde hat sie recht, deine ungeliebte Schwägerin.«
Carla blickte ihn empört an. »Das ist doch wohl nicht dein Ernst? Diese Russin will mir mein Elternhaus verbieten …«
»Moment mal«, unterbrach Hanno sie. »Es ist dein Elternhaus, aber nicht dein Zuhause. Und wenn ich es richtig verstanden habe, will sie lediglich nicht, dass du täglich dort auftauchst und dich in ihre Erziehung einmischst. Vielleicht hat sie das ein bisschen ungeschickt ausgedrückt …«
»Was heißt hier Erziehung!«, fiel Carla ihm ins Wort. »Sie interessiert sich doch gar nicht für ihr Kind.«
»Aber sie ist die Mutter.«
Carla schwieg. Sie hatte von Hanno nun wirklich mehr Verständnis erwartet.
»Übrigens ist die alte Emma wirklich eine kluge Frau, das muss ich schon sagen.« Hanno hatte sich schon den dritten Verdauungsschnaps genehmigt.
»Wie meinst du das?«
»Sie hat dafür gesorgt, dass die Steinle keine Gelegenheit hatte, dich auf Nataschas Anweisung hin sozusagen rauszuschmeißen. Du weißt jetzt Bescheid, aber Natascha weiß nicht, dass du es weißt. Also wird sie denken, es sei deine Entscheidung, nicht ständig dort zu erscheinen.«
»Und was soll ich Leopold schreiben? Ich habe ihm schließlich versprochen, mich um Feda zu kümmern.« Carlas Gesicht bekam schon wieder hektische rote Flecken.
»Ich mache dir einen Vorschlag.« Hanno nahm besänftigend ihre Hand. »Einmal in der Woche besuchst du Feda,
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