Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
gemacht?«
»Der Brief ist von der Reichskanzlei.« Er holte tief Luft. »Wir werden für einige Jahre nach Neuseeland gehen.«
»Neuseeland? Wo liegt denn das, ist es weit weg?« Von einem Land dieses Namens hatte sie noch nie gehört.
Hanno begann, den großen Globus auf seinem Schreibtisch zu drehen. »Komm her, ich zeige dir, wo Neuseeland liegt.«
»Das ist ja am anderen Ende der Welt«, flüsterte Carla entsetzt. »Was willst du denn um Himmels willen da?«
Wie durch eine Nebelwand drang seine Stimme an ihr Ohr. »Das Deutsche Reich errichtet dort mehrere Konsulate. Ich soll eines davon übernehmen. Du wirst sehen, ein Abenteuer wird das sein. Eine neue Herausforderung. Ich habe das Nichtstun gründlich satt.«
»Aber Buchenhain …« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. »… und Feda …«
»Immer Feda, Feda«, brüllte Hanno los. »Sie hat Eltern, hast du das immer noch nicht begriffen?« Er ging jetzt erregt auf und ab. »Und Buchenhain wird von Schröder bestens verwaltet. Das hast du ja wohl auch bemerkt.« Er war wütend. So sehr hatte er gehofft, dass seine Frau über diese aufregende Wendung in ihrem Leben genauso begeistert sein würde wie er. »Mein Entschluss steht fest. Ich werde das Angebot annehmen.«
Carla hatte sich erhoben. Sie schwankte leicht. Nur nicht ohnmächtig werden , dachte sie verzweifelt. Dann sagte sie mit fester Stimme: »Wann werden wir reisen?«
»In etwa zwei bis drei Monaten.« Hanno klang schon versöhnlicher. »Es ist ja nur für ein paar Jahre, mein Mädchen. Unseren Lebensabend werden wir mit Sicherheit in Ostpreußen verbringen.« Niemand konnte ahnen, dass er Buchenhain niemals wiedersehen sollte.
Die nächsten Wochen waren erfüllt mit Reisevorbereitungen. Carla wusste nicht viel über das Land, in dem sie die nächsten Jahre leben würden. Unzivilisierte, rivalisierende Stämme sollte es dort geben. »Mit so merkwürdigen Namen wie Maori oder so ähnlich«, erzählte sie Elfriede entsetzt. Sie hatte die schlimmsten Befürchtungen, ihr zukünftiges Leben unter lauter Wilden verbringen zu müssen. »Die bei Madame Yvette bestellen Pariser Modelle kann ich ja wohl Irina vermachen«, bemerkte sie spitz zu Hanno, dessen Begeisterung von Tag zu Tag zunahm, während ihre Stimmung sich keineswegs besserte. »Und was ist da überhaupt für ein Wetter? Vielleicht brauchen wir ja nur Lendenschurze.«
Hanno stand jetzt in ständigem Kontakt mit Berlin. »Das Konsulat ist in Dunedin, der Hauptstadt des Landes«, beruhigteer sie. »Es gibt dort bereits eine Universität. Sogar Frauen sind zugelassen. Also ganz so unzivilisiert kann es ja wohl nicht sein.« Dass die Straßen verdreckt und stinkend waren, verschwieg er ihr wohlweislich. »Das Klima soll mild sein, nie sehr heiß, im Sommer ganz selten über 30 Grad. Und die Winter sind auch mild, kaum Frost und Schnee. Mikroklima nennt man das. Also deine Pelze, Stiefel und Mützen kannst du unbesorgt einmotten, bis wir wiederkommen.« Hanno lächelte sie an. »Es erscheint auch täglich eine Zeitung, die Otago Daily Times , allerdings auf Englisch. Ich werde meine Sprachkenntnisse auffrischen müssen, und auch du solltest Englisch lernen.«
In aller Eile wurde ein Sprachlehrer engagiert, Herr Krüger aus Königsberg, der nun einige Stunden täglich mit Carla Vokabeln paukte, sodass ihr am Abend der Kopf rauchte. Herr Krüger bestand darauf, bei den gemeinsamen Mahlzeiten Englisch zu sprechen, was Franz komplett aus der Fassung brachte, konnte er doch nun in der Küche kaum noch erzählen, was es Neues gab. Nicht nur das Leben seiner Herrschaft, auch seins sollte sich in Zukunft grundlegend verändern. Kürzlich hatte Hanno ihn zu sich gebeten. »Wie lange sind Sie jetzt bei mir, Franz?«
»Es fehlt nicht mehr viel, dann sind es vierzig Jahre, Exzellenz.«
»Und wie alt sind Sie?«
»Ich gehe auf die siebzig.«
»Sie wissen, meine Frau und ich gehen für einige Jahre ins Ausland.«
»Jawohl, Exzellenz, das ist mir bekannt.«
»Nun, ich fürchte, die Reise und die damit verbundenen Strapazen werden für Sie zu beschwerlich sein. Es ist auchnoch völlig offen, wann wir zurückkommen.« Hanno reichte seinem Diener ein Kuvert. »Das sind Ihr Zeugnis und eine Verfügung über ein Legat. Es sichert Ihnen ein Auskommen bis an Ihr Lebensende.« Hanno lächelte freundlich. »Was hoffentlich noch in weiter Ferne ist.«
Franz standen Tränen in den Augen. »Danke, Exzellenz, ergebensten Dank.«
»Was werden Sie nach
Weitere Kostenlose Bücher