Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
sein«, brüllte der zurück, da das Stimmengewirr immer lauter wurde.
»Ich habe meinen Jungen versprochen, dass sie das nächste Mal wieder mitkommen dürfen«, sagte Amalie Lackner zu Agathe. »Sie reden immer noch von den entzückenden Fohlen, die sie beim letzten Besuch striegeln durften.«
»Die sind bis auf ein paar, die wir für die Zucht behalten haben, alle verkauft. Aber im nächsten Jahr gibt es ja wieder neue.« Die Goelders betrieben eine angesehene Pferdezucht mit Käufern aus ganz Europa.
Agathe erzählte ihrer Freundin Kunigunde von Orlov die neuesten Streiche ihres Sohnes Carl. »Die Jungen sind ja so verschieden«, sagte sie. »Carl ist ein richtiger Rabauke und Georg genau das Gegenteil. Wenn ich nicht wüsste, dass alles dran ist an ihm, würde ich denken, ich hätte eine Tochter.«
»Ja, was denn, wolltet ihr nicht noch eine Tochter haben?«, mischte sich jetzt Amalie Lackner in das Gespräch.
»Ach, allzu gern.« Agathe musste lachen. »Aber leider ist Gustav nicht so fruchtbar wie sein Bruder.«
»Der schwängert ja ununterbrochen seine Mägde«, warf Charlotta leicht angewidert ein. »Auf seinem Hof soll es von Rotschöpfen wimmeln.«
»Was sagst du da?« Leopold, der gerade zugehört hatte, wie Gustav von seiner neuen Zuchtstute schwärmte, hatte nur den letzten Satz mitbekommen.
»Du hast richtig gehört«, erwiderte Charlotta. »Mathias ist ja nicht verheiratet, wie du weißt. Er holt sich immer die hübschen neuen Mägde ins Bett. Wenn sie schwanger sind, verheiratet er sie mit einem seiner ledigen Knechte und lässt ihnen vom Möbelhaus Glück eine Kate einrichten.« Sie schlug die Augen gen Himmel. »Das sind nun meine Neffen und Nichten! Die Verwandten der Fürstin Kropotkin. Ist das nicht reizend?«
»Ich würde es volksnah nennen«, sagte Leopold, der die ganze Geschichte irrsinnig lustig fand, lachend.
»Du lachst«, sagte Charlotta in komischer Verzweiflung. »Und nicht nur du. Der ganze Landkreis amüsiert sich darüber und vor allem Herr Glück. Der hat bereits eine Standardeinrichtung für die Bedürfnisse meines Bruders. Wie ich erfahren habe, geht er nur in den Laden und sagt: ›Das Übliche‹. Herr Glück soll schon mal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und gerufen haben: ›Wat schon wieder?‹«
Leopold bekam einen Lachanfall. Das war wirklich die ulkigste Geschichte, die er seit Langem gehört hatte.
Charlotta begann jetzt unverhohlen, mit ihm zu flirten. Was war das doch für ein schöner Mann, ganz nach ihrem Geschmack. Aber zu ihrer Enttäuschung ging er überhaupt nicht darauf ein. Immer wieder sah er zu Natascha hinüber, die von den beiden Goelders offensichtlich blendend unterhalten wurde.
»Natascha und du, ihr habt ja ziemlich schnell geheiratet«, sagte Charlotta. »Ganz St. Petersburg war überrascht.«
»Ich weiß. Ich musste mich so beeilen, damit sie mir keiner wegschnappt.«
»Na, da muss die Liebe ja groß gewesen sein.«
»Was heißt: gewesen. Das ist sie noch!«
Also gibt es sie doch noch, die große Liebe , dachte Charlotta. Deutlicher hatte ihr noch nie ein Mann sein Desinteresse an ihr gezeigt. Das schmälerte aber in keinster Weise ihre gute Laune. Da war doch noch der junge, kräftige Jagdgehilfe, dem sie gestern ihre Flinte zum Reinigen gegeben hatte. Ein Leckerbissen! Sie wusste, sie würde wie immer auf ihre Kosten kommen. »Ich war fast den ganzen Sommer in Zoppot«, wechselte sie nun geschickt das Thema. »Es war fabelhaft. Alle waren da, die Donnersmarcks, Dohnas, der Kaiser mit der ganzen Familie und viele Freunde aus St. Petersburg.«
»Und der Fürst, ich meine, dein Mann, war er auch dort?«, fragte Leopold.
»Nur ein paar Tage. Er hasst es, Ferien zu machen. Zu lange von St. Petersburg und seinen Geschäften weg zu sein ist ihm ein Gräuel.«
»Und er hat nichts dagegen, dass du ihn so lange allein lässt?«
»Ach« – sie schlug ihm neckisch mit ihrem Fächer auf den Arm – »ich denke, er hat eine Mätresse. Fast alle Männer haben doch eine. Nach einer gewissen Zeit jedenfalls.«
Leopold ging nicht auf ihren spielerischen Ton ein. »Meinst du? Vielleicht in Russland. Hier, würde ich sagen, hält es sich in Grenzen.«
Die Diener servierten gerade einen neuen Gang: verschiedenes Wild mit deftigen Beilagen – eine gute Gelegenheit für Leopold, sich seiner Tischnachbarin zur Linken zuzuwenden.Die Unterhaltung mit Charlotta begann ihn zu langweilen.
Von allen Seiten prostete man sich zu, und die
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