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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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nach. Ihre von dem Hut etwas flachgedrückten Haare türmte sie zu einer Hochfrisur auf, und erst nachdem sie sich eine einzelne Locke in die hohe Stirn gezogen und noch etwas Rouge aufgelegt hatte, war sie mit ihrem Anblick zufrieden.
    Leopold, der schon seit zwanzig Minuten fertig angezogen war, ging unruhig auf und ab. Er sah fabelhaft aus in seinem nachtblauen Gehrock, mit dem fein gemusterten Piquet Gilet darunter und dem weißen Plastron um den Hals. Sein Gesicht war von den täglichen Ausritten noch sonnengebräunt. Ungeduldig sah er auf seine Taschenuhr. »Wir sind spät, Natascha. Und du bist immer noch nicht fertig angekleidet.«
    Natascha stand unschlüssig vor dem Kleiderschrank. »Soll ich jetzt das Grüne oder Graue anziehen?«, fragte sie seelenruhig.
    »Nimm das Graue. Es steht dir besonders gut.« In diesem Moment war Leopold vollkommen egal, was seine Frau anziehen würde. Nur schnell sollte es gehen.
    Natascha schlüpfte nun in ein austernfarbenes Taftkleid von Worth. Das tiefe Dekolleté und die dreiviertellangen Ärmel waren besetzt mit einer gleichfarbigen Spitze. Sie sah hinreißend aus. »Nur noch meine grauen Perlen, dann können wir gehen«, sagte sie.
    Leopold stöhnte. »Na endlich!«
    Als sie Arm in Arm den Gartensaal betraten, verstummten alle für einen Moment. »Was für ein Paar«, flüsterte Mathias seinem Bruder zu, um dann mit ausgebreiteten Armen auf die beiden zuzustürzen. »Die schöne Natascha. Endlich! Wir haben uns ja ewig nicht gesehen.«
    »Wenn ich mich nicht irre, war es erst vor vierzehn Tagen bei den Lackners auf Gut Lindicken«, bemerkte Leopold trocken.
    Mathias’ Worte »Das meine ich doch, viel zu lange ist das her!« gingen im allgemeinen Begrüßungstrubel unter.
    Charlotta fiel Natascha um den Hals. »Wir haben uns ja nun wirklich ewig nicht gesehen. Es müssen mindestens zwei Jahre sein …, oder waren es drei?«
    Es folgte ein Schwall russischer Sätze, der hin und wieder von Gelächter unterbrochen wurde, bis Gustav sagte: »Habt ihr Geheimnisse vor uns? Wir wollen mitlachen.«
    In dem Augenblick ging die Sonne unter. Es schien, als versinke ein blutroter Ball in dem in der Ferne sich dahinschlängelnden Fluss. Die Gesellschaft strömte auf die mit wilden Rosen bewachsene Terrasse, um dieses Schauspiel zu genießen. »Mein Gott, wie das riecht«, sagte Natascha, und Agathe meinte wehmütig: »Das sind die letzten Rosen in diesem Jahr. Bald werden auch sie verblüht sein.«
    Jetzt ertönte der Gong, und man begab sich in den großen Speisesaal, der nur zu den Jagden und Familienfesten benutzt wurde, wie auf fast allen Gütern. Der Tisch war üppig gedeckt mit bodenlangen weißen Tischtüchern, besetzt mit kostbarer Klöppelspitze und geschmückt mit Schalen voller bunter, betäubend riechender Rosen. Hohe Kandelaber mit brennenden Kerzen ließen Silber und Kristallgläser funkeln. Kleine weiße, von Hand geschriebene Büttenkärtchen wiesen jedem Gast seinen Platz zu. Unter Lachen und lautem Rufen – »Ja wo sitze ich denn?«, »Hermine, du sitzt neben mir«, »Klaus, komm her, du bist neben mir« und »Was für ein Vergnügen, dich als Tischdame zu haben« – fand allmählich jeder seinen ihm zugewiesenen Platz. Agathe hatte die Ehepaare weit auseinandergesetzt, was ihr manch dankbaren Blick einbrachte. Man wollte sich schließlich amüsieren! Wozu ging man sonst zu den Jagdgesellschaften? Den eigenen Ehemann hatte man ja jeden Tag neben sich bei Tisch.
    »Du sitzt bei mir, Natascha«, tönte Mathias laut. »Das habe ich mir ausbedungen.« Zu Leopold sagte er: »Guck nicht so eifersüchtig. Für ein Stündchen wirst du mir deine Frau doch gönnen.«
    »Pass auf, dass er dich nicht zum Duell fordert«, meinte sein Bruder lachend. »Im Umgang mit Pistolen ist er garantiert besser als du.«
    Natascha schien noch blasser geworden zu sein, und auch Leopold erstarrte für einen Moment. Charlotta hielt die Luft an. Mein Gott , dachte sie. Hoffentlich verlieren die beiden jetzt nicht die Contenance . Aber nach einem kurzen Moment war der Spuk vorbei, als sei nichts geschehen.
    Die Unterhaltung war lebhaft. Während Unmengen gegessen und getrunken wurden, plauderte man nach rechts, links und auch lauthals über den Tisch. Alle kannten sich, hatten gemeinsame Interessen und gleichaltrige Kinder.
    »Eine hervorragende Ernte war das dieses Jahr«, rief Georg Henkiel seinem Freund Mathias Lackner zu. »Ich hoffe, bei dir auch.«
    »Fabelhaft, könnte gar nicht besser

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