Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
meiner kleinen Feodora? Wenn Ihr meinen Brief bekommt, muss bereits Brunftzeit sein, und überall beginnen die Jagden. Grüßt einfach alle unsere Freunde von uns. Oh, wie ich Euch beneide! Um mich herum stehen Leute, die nicht wissen, wohin mit all den Sachen. Lasst baldvon Euch hören. Ich lechze nach Nachricht aus der Heimat. In Liebe, Eure Carla.
PS: Leopold, das beiliegende Briefchen ist für Emma. Lies es ihr vor. Demnächst geht ein langer Brief an sie und Elfriede auf Reise. «
Leopold hatte gerade zu Ende gelesen, als die Hausdame leise klopfte. »Darf ich einen Moment stören, Herr Graf?«
»Selbstverständlich, Frau Steinle. Was gibt es?«
Natascha verließ grußlos das Zimmer. Hauswirtschaftliche Dinge interessierten sie nicht.
»Ich mache mir Sorgen um Emma. Es geht ihr nicht gut. Darf ich nach Doktor Grüben schicken?«
»Veranlassen Sie das sofort. Was meinen Sie denn, was ihr fehlt?«
»Hm …« Frau Steinle senkte verlegen den Blick. »Es ist wohl etwas mit der Verdauung. Sie klagt schon längere Zeit über Schmerzen im Bauch. Sie meint zwar, das würde schon vorbeigehen. Aber ich beginne mir doch ernsthaft Sorgen zu machen.«
»Lassen Sie sofort Grüben rufen.«
Frau Steinle schien noch etwas auf dem Herzen zu haben.
Leopold sah sie fragend an.
»Es ist da noch etwas«, sagte sie. »Nächste Woche erwarten wir ja einige Jagdgäste. Wenn Emma ausfällt, haben wir ein Problem. Wäre es Ihnen recht, wenn ich Elfriede bitte, einige Tage bei uns auszuhelfen? Sie kennt sich hier bestens aus, und in Buchenhain ist ja kaum etwas zu tun …«
»Eine fabelhafte Idee. Und geben Sie das Emma.« Er reichte ihr das für sie bestimmte Kuvert. »Vielleicht können Sie es ihr gleich vorlesen. Es wird sie freuen. Es ist von meiner Schwester.«
»Ah, sind die Herrschaften gut in Neuseeland angekommen?«
»Ja, Gott sei Dank!«
Natascha war zurückgekommen, auf dem Arm Rüdiger und an ihrem Rockzipfel Feodora, die freudestrahlend auf ihren Vater zulief.
Frau Steinle verabschiedete sich eilig. »Ich werde dann alles veranlassen«, sagte sie beim Hinausgehen.
»Geben Sie mir Bescheid, wie es der alten Emma geht«, rief Leopold ihr nach.
Natascha kam gar nicht auf die Idee zu fragen, was der Mamsell fehlte. Dienstboten hatten gesund zu sein, ansonsten wurden sie ausgetauscht.
Während die Kinder auf dem Fußboden miteinander spielten, sprachen Leopold und Natascha über die bevorstehende Jagd auf Troyenfeld, welche Gäste erwartet wurden und ob das schöne Wetter wohl anhalten würde.
»Wie gerne Hanno und Carla jetzt dabei wären …« Leopold blickte versonnen hinaus in den Park, wo die bunt gefärbten Bäume ihre letzten Schatten warfen. Bald, wenn die Herbststürme einsetzten, würden sie kahl sein, und der lange ostpreußische Winter begann. Er wusste, wie sehr seine Schwester das vermissen würde. Oft genug hatte sie darüber gesprochen im letzten Jahr kurz vor ihrer Abreise.
Natascha holte ihn in die Wirklichkeit zurück. »Ich brauche dringend etwas Neues zum Anziehen«, sagte sie. »Ich habe gehört, Monsieur Worth soll aus seinem englischen Exil zurück in Paris sein.«
»Du willst nach Paris reisen, nur um Kleider einzukaufen?« Leopold sah sie fassungslos an. »Es gibt doch in Königsbergdiese Madame Yvette. Die schneidert alle seine Modelle fabelhaft nach. Ich erinnere mich, dass Carla …«
Natascha unterbrach ihn empört. »Ich trage keine Kopien! Das solltest du wissen.«
Die Diskussion wurde kurz unterbrochen, als Else die Kinder zum Abendessen abholte.
»Monsieur Worth hat eine Büste von mir, du erinnerst dich sicher«, fuhr Natascha fort. »Ich werde ihn in einem Brief bitten, mir Entwürfe und Stoffmuster zu schicken und meine Bestellungen daraufhin anzufertigen.«
»Tu das, meine Liebe.« Leopold dachte mit leichtem Schaudern an die Rechnungen, die er bei ihrer Hochzeitsreise an den exaltierten Schneidermeister gezahlt hatte. Aber es gab keinen Anlass zu sparen. Es waren die Gründerjahre. Die Wirtschaft boomte, und die Anlagen, die er zusammen mit Hanno getätigt hatte, warfen erkleckliche Gewinne ab. Wenn es seiner Frau Freude machte, davon einiges auszugeben, bitte sehr. Es schien sie glücklich zu machen, das war die Hauptsache.
In der Halle war Frau Steinle Konrad Grüben begegnet. »Herr Doktor«, rief sie erfreut. »Das trifft sich ja gut. Ich wollte gerade nach Ihnen schicken lassen. Der alten Emma geht es nicht gut.«
»Wo ist sie, in der Küche? Oder ist sie
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