Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
studiert auch in Königsberg, allerdings Theologie.«
Ein leises Klopfen unterbrach ihr Gespräch. »Dürfen wir hereinkommen?« Carla und Julia betraten aufgeregt Feodoras Reich.
»Gott, wie schön hast du es hier, Kind.« Carla klatschte begeistert in die Hände. »Das ganze Haus ist von gediegenstem Geschmack. Heinrich hat uns herumgeführt. Er ist wirklich überaus reizend.«
Feodora glaubte, sich verhört zu haben. Hatte Carla ihn nicht unlängst noch als Parvenü bezeichnet?
»Und dieser Blick auf den See!« Julia stand staunend am Fenster.
»Dieser Blick hat meine Vorgängerin magisch angezogen. Sie hat sich in dem See ertränkt!« Feodoras scharfe, sich fast überschlagende Stimme hielt Carla davon ab weiterzuschwärmen. Sie fand nämlich das »Los« ihrer Nichte inzwischen gar nicht mehr so bedauernswert. Ehen wurden schließlich nicht im Himmel geschlossen! Sie musste einfach glücklich sein! Julia hatte da allerdings ihre Zweifel. Das Kind gefiel ihr gar nicht. Richtig elend sah es aus, blass und übernächtigt. Das war nicht ihre Feda von früher, fröhlich und vor Lebensfreude sprühend. Das war ein unglückliches kleines Mädchen.
Die Jagdgesellschaft hatte sich im hohen Schilf versteckt. An lichten Stellen waren von den Jägern in den vergangenen Tagen mit Holzstangen und Zweigen Sichtsperren angebracht worden. Es herrschte eine angespannte Stille. Nur das Quaken der Frösche und hin und wieder das Wiehern eines Pferdes in der Ferne waren zu hören. Gottfried hatte es geschafft, sich neben Feodora zu platzieren. »Du bist hübsch«, hörte sie ihn flüstern. Ihr Herz klopfte, sodass sie Angst hatte, man könnte es hören. Ist er verrückt geworden? Es war strengstens verboten zu sprechen. Sie blickte angestrengt in den Himmel. Die Flinte in ihrer Hand zitterte. Die Dämmerung brach herein, und da kamen sie auch schon, die »Späher«. Waren es zwei … oder drei? Im Herabgleiten stießen sie kurze, schnatternde Geräusche aus, das Zeichen, dass keine Gefahr drohte. Und schon war der Himmel voneinem enormen Schwarm wilder Enten verdunkelt. Ein gewaltiges Rauschen setzte ein, dann herrschte Ruhe. Sie hatten sich auf dem Wasser niedergelassen. Noch einen Moment lang war es still, dann fiel ein Schuss! Gleichzeitig mit der panischen Flucht der aufgescheuchten Tiere begannen die Jäger zu schießen. Drei, vier Minuten, dann waren die, denen die Flucht gelungen war, außer Schussweite. Aufgeregte Stimmen vermischten sich nun mit dem Kläffen der Labradormeute, die sich in den See stürzte, um die Jagdbeute zu apportieren.
Es war bereits fast dunkel, als die Gesellschaft angeregt plaudernd zum Haus zurückging. »Gott, hab ich einen Hunger«, hörte Feodora Georg Henkiel sagen, und Heinrich rief ihm zu: »Es gibt gleich genug. Wir werden dich schon satt bekommen.«
Zügig schritt Feodora auf das Haus zu. »Du bist wirklich eine verdammt gute Schützin.« Wieder diese Stimme, die sie völlig aus dem Gleichgewicht brachte.
»Ja, beim Wettschießen habe ich immer gewonnen«, erwiderte sie.
»Und weißt du überhaupt, wie verdammt hübsch du bist?«
Feodora begann zu rennen. Nur weg , dachte sie.
Den ganzen Abend ließ Gottfried sie nicht aus den Augen. Wann immer sie zu ihm hinsah, blickte sie in sein leicht spöttisches Gesicht.
Die Einzige, der das nicht entging, war Ida. »Du scheinst ihm zu gefallen, diesem Filou«, sagte sie. »Er verfolgt dich ja förmlich mit seinen Blicken.«
»So, findest du?« Nicht einmal ihrer besten Freundin wollte sie eingestehen, dass sie verwirrt war.
Ida ließ nicht locker. Sie hatte schließlich Augen im Kopf! »Verlieb dich bloß nicht in ihn. Das ist nur vorprogrammierter Kummer.«
»Ach, was redest du denn da?!« Feodoras Gesicht strafte ihre Worte Lügen.
Am nächsten Tag herrschte im Haus heiteres Treiben. Schon lange war Feodora nicht so unbeschwert und fröhlich gewesen. In der vergangenen Nacht hatte Heinrich sie in Ruhe gelassen. Er war lange nach ihr stark betrunken ins Bett gekommen und sofort in einen Tiefschlaf gefallen. Er hatte wie ein Walross geschnarcht, was Feodora wie Musik erschienen war im Gegensatz zu den Geräuschen, die er sonst nachts machte.
Der Tag verging wie im Flug. Während Heinrich Carla, Julia und noch ein paar neue Gäste herumführte, machte Feodora mit der Jugend einen langen Ausritt. Auch Gottfried hatte sich ihnen angeschlossen, machte aber keinerlei Anstalten, mit ihr zu flirten. Vielleicht hat er es aufgegeben? ,
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