Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Käthe, der Mamsell, und Ludolf, dem Ersten Diener, angefreundet und berichtet mir alles, was ich sonst nie erfahren würde. Aber erzähl von dir. Ist schon ein Heiratskandidat in Sicht?«
Ida knuffte ihre Freundin in die Seite. »Nach dem, was ich so von dir über die Ehe höre, ist mir die Lust daran gründlich vergangen.«
»Nicht jedes Mädchen hat das Pech, von ihren Eltern verschachert zu werden.«
»Ich habe meinen Eltern klipp und klar gesagt, dass ich keine Vernunftehe eingehen werde. Lieber ende ich als alte Jungfer.« Ida kicherte. »Zu ihrem Entsetzen habe ich schon zwei Anträge abgelehnt.«
Nach einer Weile schlenderten sie zurück zum Haus. Heinrich erwartete sie bereits ungeduldig auf der Terrasse. »Meine Freunde Witzleben sind eben eingetroffen. Komm, wir müssen sie begrüßen.«
Der Name , dachte Feodora wieder, wo habe ich den bloß kürzlich gehört?
»Ich hoffe, es stört Sie nicht, lieber Heinrich, dass wir unseren Sohn Gottfried mitgebracht haben«, sagte Elisa von Witzleben, eine schöne, elegante Frau Ende vierzig. »Er hat uns gestern zu unserer Freude unangemeldet überfallen«, warf ihr Mann ein, »und da er nur drei Tage bleiben kann, dachten wir …«
»Aber ich bitte euch! Ihr seid alle auf das Herzlichste willkommen. Darf ich euch meine kleine Frau vorstellen … Gottfried, das ist Feodora.«
Feodora blickte in zwei erstaunte smaragdgrüne Augen. Ihre Knie begannen zu zittern. Was für ein Mann! Er war einen Kopf größer als Heinrich und gertenschlank. Sein kantiges, aristokratisches Gesicht war sonnengebräunt, und die vollen Lippen unter der geraden Nase hatte er leicht spöttisch verzogen.
»Ich habe schon von dir gehört. Du kennst doch Georg Goelder? Er ist mit meinem Bruder befreundet.« Gottfriedwar Feodora zum Buffet gefolgt, wo sie sich ein Glas Limonade eingoss.
»Studierst du auch in Königsberg?«, fragte sie.
»Nein, ich bin Leutnant im 1. Garderegiment. Wir sind in Königsberg stationiert. Wie alt bist du, Feodora?«
»Achtzehn.«
»Ah, und bereits so glücklich verheiratet!« Wieder erschien dieser spöttische Zug um seinen Mund.
»Verzeih, ich muss mich um die anderen Gäste kümmern.« Feodora lief hinüber zu Ida, die mit Clara Goelder auf dem Rasen Federball spielte. Sie war verwirrt, aufgewühlt; ein Gefühl, das sie nicht kannte, ließ ihr Herz bis zum Hals hinauf klopfen. Diese grünen Augen, der leichte Spott in seiner Stimme – wollte er sie etwa auf den Arm nehmen?
»Was ist, Feda, ist dir nicht gut?« Ida sah sie besorgt an.
»Es war wohl alles ein bisschen viel heute. Begleitest du mich nach oben?«
»Aber natürlich.« Sie gab Clara Goelder den Federballschläger. »Geh wieder zu deinem Papa, Clärchen. Du bist ja schon ganz erhitzt.« Liebevoll strich sie dem blassen Mädchen die blonden Locken aus der verschwitzten Stirn.
»Man sagt, dass sie krank ist«, erzählte sie Feodora, als sie Arm in Arm mit ihrer Freundin die Treppe hinaufging.
»Ich weiß.« Nichts interessierte Feodora im Moment weniger als der Gesundheitszustand irgendwelcher Kinder. »Kennst du Gottfried Witzleben?«, fragte sie atemlos, nachdem die Zimmertür hinter ihnen zugefallen war.
»Ach, das ist es!« Ida lachte. »Hat er dich so aus der Fassung gebracht?« Sie sah sich staunend in dem Raum um. »Schön hast du es hier. Sehr geschmackvoll.«
»Es ist das Zimmer meiner Vorgängerin. Sie hat sich übrigens umgebracht!«
»Macht es dir etwas aus, hier zu wohnen?«
»Nein, ich habe mich daran gewöhnt. Und ich verspreche dir, ich werde mich bestimmt nicht umbringen.«
Durch die geöffneten Fenster drang Heinrichs Stimme nach oben. »Liebe Freunde, die Dienerschaft wird euch jetzt eure Zimmer zeigen. Wir treffen uns vor Einsetzen der Dämmerung am See. Meine Jäger werden an diejenigen, die keine eigene Flinte dabeihaben, kurz vorher auf der Terrasse welche verteilen. Direkt nach der Jagd ist ein informelles Abendessen.«
Feodora schloss eilig die Fenster. »Erzähl mir von diesem Gottfried. Kennst du ihn gut?«, fragte sie ungeduldig. »Er sieht ja unglaublich gut aus.«
»Ihr Schloss liegt nicht weit von Klein Darkehmen. Als Kinder haben wir uns oft gesehen. Aber mit zwölf Jahren ist er schon in die Kadettenanstalt Kösslin gekommen. Dann habe ich ihn aus den Augen verloren.« Ida kicherte. »Er ist bereits Leutnant und macht seit einem Jahr Königsberg unsicher.«
»Was meinst du damit?«
»Er ist ein Weiberheld, sagt mein Bruder. Du weißt, Johann
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