Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
dachte sie. Aber irgendwie gefiel ihr das auch nicht.
Als sie zurückkamen, sahen sie im Haus, auf der Terrasse und im Park überall Grüppchen, die sich gut zu unterhalten schienen. Einige andere spielten Tennis, Kricket oder Whist, und wieder andere saßen im Schatten der Pergola und unterhielten sich. Ständig waren Diener damit beschäftigt, Essen und Getränke herumzureichen.
Nach einem ausgiebigen gemeinsamen Mittagessen mit unzähligen Schnäpsen – wie sollte man auch sonst alles verdauen können – kehrte für ein paar Stunden etwas Ruhe ein. Man wollte den festlichen Abend ja schließlich ausgeruht genießen.
Am späten Nachmittag bat Heinrich Feodora zu ihrem großen Erstaunen, ihm bei der Tischordnung zu helfen. »Das Fräulein Kastner macht ihre Arbeit ja wirklich ausgezeichnet«, sagte er, »aber die Platzierung der Gäste wollte ich ihr doch nicht überlassen. Was meinst du, sollen wir die Ehepaare nebeneinander setzen?«
»Nein, es ist lustiger, sie zu trennen. Schließlich liegen sie nachher wieder zusammen im Bett«, meinte Feodora, die dabei in erster Linie an sich dachte.
Gottfried platzierte sie neben Ida, so weit weg von ihr wie möglich. Heinrich hatte schon ein paarmal so merkwürdig geguckt, wenn Gottfried in ihrer Nähe war. Dann kam ihr eine Idee. »Heinrich, was hältst du davon, wenn nach jedem zweiten Gang die Herren aufstehen, ihre Serviette und ihr Glas nehmen und sich zwei Plätze weitersetzen?«
»Ich weiß nicht …« Er sah sie skeptisch an. Was war denn das bloß für eine neumodische Idee?
»Das bringt Spaß«, rief Feodora aufgeregt. »Jeder hat so die Gelegenheit, mit jedem einmal zu reden, und es gibt keinen, der sich den ganzen Abend langweilen muss.« Mit Grausen erinnerte sie sich an Abendgesellschaften, bei denen sie sich irgendwelche abenteuerlichen Jagdgeschichten oder Kriegserlebnisse von alten Offizieren anhören und dabei auch noch ein interessiertes Gesicht machen musste.
»Wenn du meinst …« Begeistert war Heinrich nicht.
Nach einer kurzen Diskussion, ob die Herren nun nach links oder rechts rücken sollten, einigte man sich auf links.
»Wenn alle bei Tisch sitzen, musst du das ankündigen«, schärfte Feodora ihm ein. »Und noch etwas, Ludolf soll zum Platzwechsel den Gong schlagen, sonst klappt das nicht.«
An diesem Abend war große Toilette verlangt. Irma hatte den Auftrag, sich um Carlas und Julias Garderobe zu kümmern und ihnen beim Ankleiden für den Abend zu helfen. Diese Gelegenheit nahm Carla zum Anlass, Irma über ihre Nichte auszuhorchen. Sie hatte noch nicht gewagt, Feodora persönlich nach ihrem Befinden zu fragen. »Na, Irmchen, wie gefällt es dir denn so auf Gut Eichen«, begann sie.
»Jut, kann nich klagen.«
»Hast du schon Anschluss gefunden … ich meine, Freunde …?«
Irma sah sie erstaunt an. Was interessierten die Baronin Harvich ihre Freunde? »Ei nu, die Mamsell is man janz nett, und Ludolf, der Diener, wat ihr Schwager is, der och … Ne nu, ik kann nich klagen … wirklich. Aber die Kastner, die Hausdame, dat is en richtiger Drachen.« Sie redete sich in Rage. »Die is immer gnaddrich und piesackt die Stubenmädchen. Aber mir kann se nuscht! Feda …«
»Ach ja, wie geht es denn eigentlich unserer Feda hier?«, unterbrach Carla Irmas Redefluss. »Fühlt sie sich wohl? Ihr Mann ist ja wirklich ausgesprochen reizend. Ich habe bei diesem Trubel noch gar nicht richtig mit ihr reden können.«
Jetzt begriff Irma. Das war es, was sie wirklich wissen wollte, die Baronin Harvich! »Ja … nu … wie ik dat sehe, och janz jut.« Feodora hatte ihr strengstens verboten, zu irgendjemanden etwas anderes zu sagen.
»Das ist ja wunderbar.« Carla klatschte begeistert in die Hände. Offensichtlich schien ihr die Antwort völlig zu genügen. »Na, dann hilf mir mal in mein Kleid, Irmchen.«
Julia, die der Unterhaltung schweigend gelauscht hatte, konnte sich nur wundern über ihre Freundin. War sie blind, oder wollte sie nicht sehen, wie unglücklich das arme Kindwar? Richtig elend und übernächtigt sah es aus, das früher so fröhliche und vor Lebensfreude überschäumende junge Mädchen. Nein, ein glücklicher Mensch war das nicht.
Ein paar Zimmer weiter sah Ida, die im Morgenmantel war, Feodora beim Ankleiden zu. »Du hast ja Kleider … Ich muss schon sagen, dein alter Mann hat einen exzellenten Geschmack.«
Feodora rollte die Augen. »Glaub mir, ich würde lieber in Sack und Asche gehen, als … Na ja, lassen wir das.
Weitere Kostenlose Bücher