Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Pasteten, kalten Limonaden sowie Kaffee und Tee auf wärmenden Stövchen aufgebaut. »Sorgen Sie dafür, dass von allem reichlich da ist«, hatte Heinrich die Hausdame immer wieder ermahnt, worauf sie jedes Mal geduldig antwortete: »Aber, Herr Baron, habe ich Sie jemals enttäuscht?«
Am Morgen, im Beisein seiner Frau, hatte er gefragt: »Sind Blumen und Obst auf allen Gästezimmern? Sie wissen, dass ich großen Wert darauf lege.«
»Ob auf der Etage der Frau Baronin alles in Ordnung ist, weiß ich nicht.« Fräulein Kastner tat, als wäre Feodora Luft. »Das wollte die Frau Baronin selbst übernehmen.«
»So, so.« Heinrichs Gesicht war ausdruckslos gewesen.
Feodora hätte kotzen können! Was fiel dieser Person bloß ein, in diesem Ton einfach über sie hinwegzusprechen? Und warum ließ Heinrich das zu?
»Ich möchte, dass wir nachher unsere Gäste gemeinsam auf der Terrasse empfangen«, sagte er, nachdem die Hausdame gegangen war. »Ab drei Uhr sollten wir unten sein, und bitte sei pünktlich!«
»Ich werde mich bemühen.« Feodora hatte vor Wut gekocht. »Ich werde jetzt wie immer ausreiten. Du siehst, Rex ist schon ganz ungeduldig.«
»Aber komm nicht wieder so …« Den Rest hörte sie nicht mehr. Zusammen mit dem Hund war sie hinausgestürmt.
Nach ihrem Ausritt kleidete sie sich mit ungewohnter Sorgfalt um. Nach langem Überlegen entschied sie sich für ein hellblau-weiß gemustertes Baumwollkleid, dessen Ausschnitt und Ärmel mit weißer Spitze eingefasst waren. Um den Hals hatte sie eine kleine goldene Kette mit einem Anhänger aus Amethyst gelegt, ein Geschenk Tante Carlas zu ihrem fünfzehnten Geburtstag. Mit zwei Schildpattkämmen steckte sie ihre rote Mähne zu einer Hochfrisur auf, so wie Erna es ihr in Zoppot beigebracht hatte. Trotz aller Sorgfalt fielen ihr einige widerspenstige Locken in Stirn und Gesicht. Nach einiger Zeit gab sie ihre Bemühungen auf, sie zu zähmen. Egal , dachte sie, irgendwie sehe ich auf dem Kopf immer ein wenig unordentlich aus . Die vergangene Nacht war mal wieder eine nicht enden wollende Tortur gewesen, und so deckte sie ihre dunklen Augenringe mit einem leichten Puder ab. Tante Carla und das geliebte Julchen sollten sie fröhlich sehen, auf keinen Fall durften sie merken, wie unglücklich sie war. Nach einem letzten kritischen Blick in den Spiegel nahm sie eine weiße, am Morgen geschnittene Rose und steckte sie achtlos ins Haar. »Wie sehe ich aus, Irmchen?«
»Du bist hübsch, sogar bildhübsch. Dat finden hier alle.«
»Wer sind alle?«
»Ei nu, alle eben. Aber janz besonders der Klaus.«
»Ach, meinst du Klaus, den Stallburschen?« Sie hatte ihn bisher nur ein- oder zweimal gesehen. Ein hübscher Kerl. Erwar ihr aufgefallen mit seinen wilden schwarzen Locken und den leuchtend blauen Augen in dem gebräunten Gesicht. Er sah anders aus als die übrigen Stallburschen, feiner und überhaupt nicht gewöhnlich. »Woher weißt du das denn?«
»In der Jesindestube wird jequatscht, und nach drei Schnäpsen janz besonders.«
Feodora lachte. »Es freut mich, dass mich jemand hübsch findet.«
»En bisken blass biste«, sagte Irma.
»Meinst du, ein wenig Rouge würde helfen?«
Mit einem Pinsel fuhr Irma kurz über Feodoras Wangen. »So is jut.« Sie strahlte. »So können wir dir auf die Jäste loslassen.«
Heinrich empfing sie wieder mit seiner Taschenuhr in der Hand. »Du bist fünf Minuten zu spät«, sagte er tadelnd. »Ich höre bereits die ersten …«
»Es sind Tante Carla und Julchen …« Feodoras aufkeimende Wut auf ihren pedantischen Mann verschwand augenblicklich. Sie lief ihren Lieben entgegen. »Tante Carla, Julchen!« Abwechselnd fiel sie beiden um den Hals. »Wie schön, dass ihr da seid. Ich bin ja so froh, euch zu sehen.«
Auch Heinrich begrüßte sie überschwänglich. »Carla … Ich darf Sie doch so nennen? Und Julia … Auch bei Ihnen erlaube ich mir die Vertraulichkeit …« Er küsste beiden Damen die Hand. »Welche Freude, Sie endlich … endlich auf Gut Eichen zu Gast zu haben.« Er legte seinen Arm um Feodora. »Und vor allem, meine kleine bezaubernde Frau so strahlen zu sehen.«
Feodora lächelte gequält. Doch weder ihre Tante noch Julia schienen es zu bemerken. Sie waren fasziniert von dem Anblick, der sich ihnen bot. »Das ist ja wirklich wunderschön.Natascha hat nicht übertrieben, als sie von Ihrem traumhaften Besitz schwärmte.« Carla war tatsächlich tief beeindruckt.
»Wir sind an Koppeln mit herrlichen Pferden
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