Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
vorbeigekommen«, sagte Julia. »So schöne Tiere habe ich nur in Trakehnen gesehen.«
»Ich züchte ein wenig. Feodora wird Sie morgen herumführen. Vielleicht wollen Sie ja auch gemeinsam ausreiten …«
Ludolf kündigte neue Gäste an, und so wartete Heinrich die Antwort nicht mehr ab. »Komm, Liebes …« Er zog Feodora mit sich, um die Neuankömmlinge zu begrüßen.
»Wir reden später … in Ruhe«, rief Feodora den Damen im Weggehen zu.
Über eine Stunde riss der Strom der Gäste nicht ab. Bald war die Terrasse voll mit sich fröhlich unterhaltenden Menschen. Die meisten kannten sich, hatten sich lange nicht gesehen und tauschten den neuesten Klatsch aus. Es wurden Unmengen gegessen und getrunken. Man war hungrig und durstig von der Fahrt.
Feodora schwirrte der Kopf von all den neuen Namen – Heinze, von der Grüben, Kreindel, von Lerchenberg … – und Gesichtern. Die meisten waren ältere, gesetzte Menschen in Heinrichs Alter. Ab und zu erblickte sie dann aber doch ein junges Gesicht.
»Das sind meine Nachbarn Karl und Helmine Wedel und ihr Sohn Kajo … Ah, da kommen die Stödters mit ihrer Tochter Elenor«, stellte Heinrich weitere Gäste vor.
Feodora war erleichtert. Es würde wohl doch weniger langweilig werden, als sie befürchtet hatte. Ununterbrochen hatte sie hören müssen: »Darf ich euch meine kleine Frau vorstellen … Das sind meine Freunde …«, woraufhin dieseantworteten: »Wie bezaubernd … Was bist du doch für ein Glückspilz, Heinrich!«
Endlich waren Ida und ihre Eltern da! Georg Henkiel steuerte gleich nach der Begrüßung auf das Buffet zu, während Antonia, seine Frau, und Ida sich zu Carla und Julia setzten, die sich in einer der behaglichen Sitzgruppen niedergelassen hatten und Käthes köstlichen Apfelkuchen und die herrliche Aussicht genossen. »Nun seht euch Georg an«, sagte Antonia lachend. »Sowie er etwas zu essen sieht, kann er nicht an sich halten.«
»Papa ist verfressen«, meinte Ida. »Und man kann es auch sehen. Hoffentlich platzt er nicht irgendwann mal.«
»Sei du man nicht so despektierlich, Kind!« Antonia drohte ihrer Tochter scherzhaft mit dem Finger. »Wo sind denn Natascha und Leopold?«, fragte sie Carla. »Ich habe sie noch nicht entdecken können.«
»Sie sind verhindert.«
»Das tut mir aber leid für Feda. Sicher ist sie sehr traurig darüber.«
Irgendwann werde ich dich über diese Rabeneltern aufklären , dachte Ida, und laut sagte sie: »Na, dann werde ich meine Feda mal ein bisschen trösten. Wie ich sehe, ist die Begrüßungstortur beendet.«
Die beiden jungen Frauen spazierten Arm in Arm durch den Park. Feodora hatte ihren mit weißer Spitze bezogenen Sonnenschirm aufgespannt. »Du weißt, meine helle Haut«, sagte sie lachend. »Ich möchte keinen Sonnenbrand bekommen.«
Bald waren sie außer Hörweite der laut schnatternden Gästeschar. »Nun, wie geht es dir?«, fragte Ida. »Hast du dich eingelebt, und kannst du ihn noch halbwegs ertragen?«Sie machte mit dem Kopf eine Bewegung in Heinrichs Richtung, der in diesem Moment zu ihnen herübersah.
»Wenn die Nächte nicht wären …« Feodora erschauerte. »Dann wäre alles halb so schlimm. Dieser eklige alte Körper … Er riecht so schlecht …, und wenn sein …« Sie zögerte, wusste nicht, wie sie sein Geschlechtsteil nennen sollte. Über die menschliche Anatomie war sie nicht aufgeklärt worden, schon gar nicht über die männliche. »Also, wenn sein Ding, du weißt schon, nicht fest wird, dann wird er zornig. Als ob das meine Schuld wäre!«
Überall im Park begegneten ihnen jetzt flanierende Paare und Grüppchen. Man blieb stehen, plauderte kurz miteinander und trennte sich wieder. Erst wenn Feodora und Ida sicher waren, dass niemand ihrem Gespräch lauschen konnte, sprachen sie weiter.
»Aber sonst kann ich mich nicht beklagen«, fuhr Feodora fort. »Heinrich hat mir ein wunderschönes Pferd geschenkt, Honey heißt es. Morgen werde ich es dir vorstellen. Ich reite jeden Morgen allein aus. Das ist herrlich.« Sie musste wieder lachen. »Am Anfang kam Heinrich mit. Aber ich reite ihm wohl zu schnell und zu wild. Jedenfalls hat er jetzt morgens immer dringend etwas zu erledigen. Gott sei Dank!«
»Hast du keine Aufgaben im Haus?«
»Dem Hausstand steht die Hausdame Fräulein Kastner vor, und Heinrich will, dass das so bleibt. Sie ist übrigens eine schreckliche Person.«
»Und wie macht sich Irma als Zofe?«
»Ohne sie wäre ich noch unglücklicher. Sie hat sich mit
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