Solange am Himmel Sterne stehen
Bäckerei verwendet haben. Wir glauben, es könnte sein, dass meine Schwester Ihrer Familie während des Krieges beigebracht hat, wie man diese Törtchen macht.«
Monsieur Romyo sieht Alain lange an, und dann nickt er. » Alors . Meine Eltern sind beide gestorben, aber im Krieg waren sie noch jung. Noch Kinder. Sie würden sich nicht erinnern. Aber der Onkel meiner Mutter, der könnte es wissen.«
»Ist er hier?«, frage ich.
Monsieur Romyo lacht. »Nein, madame . Er ist sehr alt. Er ist neunundsiebzig.«
»Neunundsiebzig ist nicht alt«, murmelt Henri leise hinter mir, aber Monsieur Romyo scheint ihn nicht zu hören.
»Ich werde ihn gleich anrufen«, sagt er. »Aber er ist fast taub, verstehen Sie? Es ist nicht leicht, mit ihm zu sprechen.«
»Bitte versuchen Sie es«, sage ich leise.
Er nickt. »Ich muss zugeben, jetzt ist meine Neugier auch geweckt.«
Er geht hinter die Theke, nimmt ein kleines Handy und scrollt die Kontaktliste des Telefons durch. Einen Augenblick später drückt er auf Verbinden und hält sich das Telefon ans Ohr.
Erst als ich ihn » Hallo? Onkel Nabi? « sagen höre, wird mir bewusst, dass ich die Luft angehalten habe. Ich atme langsam aus.
Ich höre zu, ohne etwas zu verstehen, während er laut auf Französisch ins Telefon spricht, wobei er sich mehrmals wiederholt. Schließlich hält er eine Hand über das Telefon und wendet sich an mich: »Diese Törtchen mit den Sternen«, sagt er, »mein Onkel Nabi sagt, seine Familie hätte das Rezept von einer jungen Frau gelernt.«
Alain und ich tauschen einen Blick. »Wann denn?«, frage ich eindringlich.
Monsieur Romyo sagt wieder etwas ins Telefon, dann wiederholt er sich etwas lauter. Wieder hält er eine Hand über das Telefon. »Im l’annee mille neuf cent quarante-deux «, sagt er. »1942.«
Ich stöhne auf. »Kann es sein …?«, frage ich Alain, aber dann verliert sich meine Stimme, und ich wende mich an Monsieur Romyo. »Kann sich Ihr Onkel noch an irgendetwas an dieser Frau erinnern?«
Ich sehe zu, wie er meine Frage auf Französisch am Telefon wiederholt. Einen Augenblick später sieht er wieder zu uns hoch. »Rose«, sagt er. » Elle s’est appelée Rose .«
»Was?«, frage ich Alain panisch.
Alain wendet sich lächelnd zu mir um. »Er sagt, der Name der Frau sei Rose gewesen.«
»Das ist meine Großmutter«, murmele ich und sehe dabei Monsieur Romyo an.
Er nickt, dann sagt er noch etwas ins Telefon und hört einen Augenblick zu. Er legt auf und kratzt sich am Kopf. »Das ist alles sehr ungewöhnlich«, sagt er. Er sieht zu Alain und dann wieder zu mir zurück. »All die Jahre hatte ich keine Ahnung …« Seine Stimme verliert sich, und er räuspert sich. »Mein Onkel, Nabi Haddam, würde sich sehr freuen, wenn Sie ihn jetzt gleich besuchen würden. D’accord? «
» Merci. D’accord «, stimmt Alain prompt zu. Er sieht mich an. »Okay«, übersetzt er. »Wir fahren sofort hin.«
Fünf Minuten später sitzen Simon, Henri, Alain und ich in einem Taxi in Richtung Süden, auf dem Weg zu einer Adresse in der Rue des Lyonnais, die, wie Monsieur Romyo uns versichert hat, ganz in der Nähe ist. Ich sehe wieder auf die Uhr. Es ist acht Uhr fünfundzwanzig. Wir werden unseren Flug nur noch mit Mühe erreichen, aber im Augenblick habe ich das Gefühl, dass diese Sache hier keinen Aufschub duldet.
Ich zittere, als wir endlich vor Nabi Haddams Wohnhaus vorfahren. Er wartet bereits an der Tür auf uns. Nach dem, was Mr Romyo uns erzählt hat, weiß ich, dass er nur ein Jahr jünger als Alain ist, aber er sieht aus, als ob er aus einer völlig anderen Generation stammt. Sein Haar ist pechschwarz und sein Gesicht nicht annähernd so faltig wie das meines Onkels. Er trägt einen grauen Anzug und umklammert seine Hände. Als wir aus dem Taxi steigen, starrt er mich an.
»Sie sind ihre Enkelin«, sagt er stockend, noch bevor wir die Gelegenheit hatten, uns vorzustellen. »Sie sind Roses Enkeltochter.«
Ich hole einmal tief Luft. »Ja.«
Er lächelt und kommt rasch auf mich zu. Er küsst mich auf beide Wangen. »Sie sind ihr wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagt er. Er hat Tränen in den Augen, als er sich von mir löst.
Alain stellt sich als Roses Bruder vor, und Henri und Simon begrüßen ihn ebenfalls. Ich sage Monsieur Haddam, dass mein Name Hope ist.
»Er ist richtig, dieser Name«, murmelt er. »Wegen Ihrer Großmutter, denn sie hat durch Hoffnung überlebt.« Er blinzelt ein paarmal und lächelt. »Bitte, kommen Sie
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