Solange am Himmel Sterne stehen
Pavés.«
»Äh.« Ich sehe mich nach Alain um. Er kommt zu mir an die Theke. »Kannst du diesem Mann sagen, dass Ronde des Pavés ein Törtchen aus Mohn, Mandeln, Trauben, Feigen, Dörrpflaumen und Zimtzucker ist? Kannst du ihn fragen, ob ihm das bekannt vorkommt?«
Ich weiß, dass ich vielleicht dabei bin, den Verstand zu verlieren, aber ich könnte schwören, Sterntörtchen in der Luft zu riechen. Bevor Alain übersetzt, sieht er mich seltsam an. »Das war das Rezept meiner Mutter«, sagt er.
Ich nicke. »Das ist die Spezialität unserer Bäckerei«, sage ich zu ihm. »Und das Lieblingsgebäck meiner Großmutter.«
Alain sieht mich blinzelnd an, dann wendet er sich noch einmal an den jungen Mann und übersetzt rasch. Ich sehe, wie der junge Mann nickt und etwas erwidert. Alain wendet sich wieder an mich. »Er sagt, ja. Er sagt, dass sie die Törtchen hier allerdings einzeln machen und dass jede Kruste das Sternmuster hat.«
Mir klappt der Kiefer herunter. »So hat Mamie es mir beigebracht«, sage ich leise. »Sie nennt sie Sterntörtchen.«
Alain kratzt sich am Kopf. Neben mir sind Simon und Henri in Schweigen verfallen. Wir alle starren den jungen Mann an, während Alain ihm die Sterntörtchen auf Französisch erklärt. Die Augen des Mannes weiten sich, und er sieht rasch zu mir hinüber und dann wieder zurück zu Alain. Er sagt etwas in schnellem Französisch, und dann wendet sich Alain an mich.
»Er sagt, es gibt da einen Mann, der im sechsten Arrondissement lebt«, sagt Alain. »Nicht allzu weit von hier. Seine Familie hat eine muslimische Bäckerei. Das Rezept kam von ihm. Er könnte vielleicht erklären, woher es ursprünglich stammte.«
Ich nicke und sehe den jungen Mann an. »Danke«, sage ich. » Merci beaucoup .«
» De rien. « Der Mann nickt und lächelt mich an. » Bonne chance .«
Während ich Alain und seinen beiden Freunden durch den Hof zurück zur Straße folge, hämmert mein Herz. »Meinst du, die Törtchen haben irgendetwas mit meiner Großmutter zu tun?«, frage ich ihn.
»Das lässt sich unmöglich sagen«, antwortet Alain. Aber nach dem Funkeln in seinen Augen und seinen beschleunigten Schritten zu urteilen, ist er hoffnungsvoll, und das macht auch mir Hoffnung.
Wir winken uns ein Taxi und fahren schweigend eine Viertelstunde, bis unser Fahrer vor der Adresse hält, die der junge Mann in der Bäckerei uns genannt hat. Es ist eine kleine Bäckerei, die typisch französisch aussieht, bis auf das Schild, das auf Arabisch und Französisch ist. Drinnen riecht es stark nach Hefe, und an den Wänden reihen sich senkrecht aufgestellte Baguettestangen aneinander. Die Vitrine vor uns bietet eine schier unendliche Auswahl an Gebäckstücken, verziert mit Früchten und Kandiszucker. Ich erkenne auf Anhieb die großen Sterntörtchen mit dem typischen Zickzackmuster der Kruste, die ich seit Jahren mache, und mein Herz schlägt schneller; das muss ein Zeichen sein, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wir fragen die junge Frau hinter der Theke, ob wir mit dem Besitzer sprechen können, und einen Augenblick später kommt ein hochgewachsener Mann mittleren Alters mit karamellfarbener Haut und pechschwarzem Haar, das an den Schläfen ergraut, aus einem Hinterzimmer zum Vorschein. Er trägt eine schlichte weiße Bäckerschürze über einer perfekt gebügelten Khakihose und einem hellblauen Hemd.
»Ah ja, Sahib von der Moschee hat schon angerufen und mir gesagt, dass Sie kommen«, sagt der Mann, nachdem er uns vier begrüßt hat. »Ich bin Hassan Romyo, seien Sie herzlich willkommen. Aber ich befürchte, ich werde Ihnen vielleicht nicht helfen können.«
Meine Stimmung sinkt. »Monsieur, wissen Sie zufällig, woher das Rezept für die Törtchen mit der Sterngitter-Kruste kommt?«, frage ich leise, während ich auf die Törtchen in der Vitrine deute.
Er schüttelt den Kopf. »Ich besitze diese Bäckerei jetzt schon seit zwanzig Jahren«, erzählt er mir, »und dieses Rezept gibt es hier, seit ich mich erinnern kann. Meine Mutter hat es vor mir gemacht, aber sie ist schon lange tot. Ich dachte immer, es sei ein Familienrezept.«
»Es ist ein jüdisches Rezept«, wirft Alain leise ein. Monsieur Romyo sieht ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Es stammt von der Mutter meiner Großmutter in Polen, vor vielen Jahren.«
»Jüdisch?«, fragt Monsieur Romyo. »Und polnisch? Sind Sie ganz sicher?«
Alain nickt. »Es ist genau dasselbe Rezept, das meine Großeltern vor dem Zweiten Weltkrieg in ihrer
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