Solange es hell ist
Herzogtums, einen aufstrebenden Politiker und einen südafrikanischen Millionär. Und dann heiratete sie, zu jedermanns Überraschung, plötzlich Alan Everard – einen sich mühsam durchkämpfenden jungen Maler, von dem noch nie jemand gehört hatte.
Es sagt viel über ihre Persönlichkeit aus, glaube ich, dass jedermann fortfuhr, sie Isobel Loring zu nennen. Niemand sprach von ihr jemals als Isobel Everard. Es hieß: »Ich sah Isobel Loring heute Morgen. Ja – mit ihrem Mann, dem jungen Everard, diesem Maler.«
Man sagte, Isobel habe sich da »etwas Schönes eingebrockt«. Ich glaube, dass die meisten Männer schwer daran zu schlucken gehabt hätten, als »Isobel Lorings Ehemann« bekannt zu sein. Doch Everard war anders. Isobels Talent für Erfolgsmenschen hatte sie also nicht im Stich gelassen. Alan Everard malte Farbe.
Ich nehme an, dass jedermann dieses Bild kennt: ein Stück Straße, auf der einen Seite ein offener Graben, die ausgehobene Erde, von rötlicher Farbe, ein glänzendes, braunes glasiertes Abflussrohr und ein hünenhafter Bauarbeiter, der sich einen Moment, auf seinen Spaten gestützt, ausruht – eine herkulische Gestalt in schmutzigen Cordsamthosen und scharlachrotem Halstuch. Die Augen blicken einen von der Leinwand an, ohne Intelligenz, ohne Hoffnung, aber mit einer Art stummen unbewussten Flehens, die Augen eines herrlichen grausamen Tieres. Es ist ein loderndes Bild – eine Sinfonie in Orange und Rot. Es wurde schon viel über die Symbolik des Gemäldes geschrieben, über das, was es aussagen soll. Alan Everard sagte, er habe damit überhaupt nichts aussagen wollen. Er sei es leid gewesen, sich einen Haufen Bilder von venezianischen Sonnenuntergängen anschauen zu müssen, und da habe ihn ein jähes Verlangen nach einer Orgie rein englischer Farben gepackt.
Danach schenkte Everard der Welt das epische Gemälde eines Wirtshauses, Romantik: die schwarze Straße, auf die der Regen fällt, die halb geöffnete Tür, die Lichter und schimmernden Gläser, der kleine Mann mit dem verschlagenen Gesicht, der durch die Tür tritt, geduckt, schäbig, unbedeutend, mit erwartungsvollem Mund und begierigen Augen eintritt, um zu vergessen.
Aufgrund dieser beiden Bilder wurde Everard als ein Maler der »Arbeiter« gelobt. Er hatte seine Nische. Aber er weigerte sich, in ihr zu verharren. Sein drittes und hervorragendstes Werk war ein lebensgroßes Porträt von Sir Rufus Herschman. Es zeigt den berühmten Wissenschaftler vor einem Hintergrund aus Destillierkolben und Schmelztiegeln und Laborregalen. Das Ganze hat beinahe etwas Kubistisches, könnte man sagen; die perspektivischen Fluchtlinien sind jedoch ungewöhnlich.
Und nun hatte er sein viertes Werk vollendet – ein Porträt seiner Frau. Wir waren eingeladen worden, um es zu begutachten. Everard selbst machte ein finsteres Gesicht und sah zum Fenster hinaus; Isobel Loring ging zwischen den Gästen umher und sprach mit unfehlbarer Sachkenntnis über Maltechniken.
Wir gaben unsere Kommentare ab. Das mussten wir. Wir rühmten die Ausführung des rosa Satins. Wie er den gemacht hatte, sagten wir, war wirklich wunderbar. So hatte noch niemand Satin gemalt.
Mrs Lemprière, die zu den intelligentesten Kunstkritikern gehört, die ich kenne, nahm mich beiseite.
»Georgie«, sagte sie, »was hat er sich da angetan? Das Ding ist tot. Ohne Ecken und Kanten. Es ist – ach, es ist verdammungswürdig!«
»Das Porträt einer Dame in rosa Satin?«, deutete ich vorsichtig an.
»Genau! Dennoch ist die Technik perfekt. Und diese Sorgfalt! Es steckt genug Arbeit für sechzehn Bilder darin.«
»Zuviel Arbeit?«, deutete ich an.
»Das könnte es sein. Falls da überhaupt jemals etwas war, dann hat er es zu Tode gemalt. Eine außergewöhnlich schöne Frau in einem rosa Satinkleid. Warum nicht gleich ein Farbfoto?«
»Warum nicht?«, stimmte ich ihr zu. »Glauben Sie, dass er es weiß?«
»Natürlich weiß er es«, sagte Mrs Lemprière verächtlich. »Sehen Sie denn nicht, wie nervös der Mann ist? Das kommt davon, würde ich sagen, wenn man Gefühl und Geschäft verbindet. Er hat seine ganze Seele hineingelegt, Isobel zu malen, weil sie eben Isobel ist, und indem er sie geschont hat, hat er sie verloren. Er ist zu nachsichtig gewesen. Man muss – manchmal muss man den Leib zerstören, um die Seele zu erreichen.«
Ich nickte nachdenklich. Everard hatte Sir Rufus Herschman körperlich nicht geschmeichelt, aber es war ihm gelungen, eine Persönlichkeit auf die
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