Solar
fünfundvierzig Minuten später wieder verlassen hatte. Aber diese Ängste ließen sich leicht als Zeichen einer nur zu verständlichen inneren Anspannung tarnen. Die folgenden drei Sitzungen, alle nach Tarpins Festnahme, verliefen ruhiger, aber auch da war seine Konzentration gefordert. Eine Woche nach Bekanntwerden der Affäre las Beard in einer Zeitung - der vorhersehbare Sturm war losgebrochen, Fotografen belagerten Tag und Nacht das Gartentor -, Tarpin sei am Morgen von Aldous' Tod von keinem einzigen Zeugen gesehen worden. Aufgrund des starken Regens sei der Handwerker zu Hause geblieben, so dass auch keine Arbeitskollegen ihn gesehen hatten, kurz, er habe kein Alibi. Das war immerhin erfreulich. Ebenso das, was aus Polizeikreisen über Tarpins Drohpostkarte an Aldous und die zwei Anrufe, die das Opfer in weiser Voraussicht aufgezeichnet hatte, an die Presse durchsickerte. Bei den letzten beiden Vernehmungen ging es im Wesentlichen um Formalitäten, es gelte nur noch ein paar offene Fragen zu klären, wie man ihm lächelnd versicherte. Die Sache war eindeutig genug, die Polizei hatte den Täter. Innerlich jubelnd unterschrieb Beard seine Aussage.
Jock Braby draußen im Institut war freilich nicht so begeistert. Am achten Tag, unmittelbar nach der dritten Vernehmung, machte Beard sich auf den Weg, um mit ihm zu reden. Er nahm das Auto, weil er sich nicht von der Pressemeute in den Zug nach Reading verfolgen lassen wollte. Das Interesse an ihm war riesengroß, nachdem man ihn zum unglücklichen Opfer, zum weltfremden Tölpel und Träumer stilisiert hatte, der seine flatterhafte Frau nicht zu bändigen vermochte. Vor der Sperre lauerte eine Traube Fotografen und Reporter; die Wachleute mit ihren Schirmmützen nahmen tief beeindruckt und teilnahmsvoll Haltung an und salutierten zackig, als Beard an ihnen vorbei aufs Gelände fuhr.
Die beiden Männer tranken Tee in Brabys Büro; Beard erzählte ihm die ganze Geschichte haarklein so, wie er sie der Polizei erzählt hatte.
Braby, die Stirn mehr und mehr in Falten, gestikulierte in Richtung der Wand, hinter der die Haupteinfahrt lag. »Das ist nicht gut«, sagte er mehr als zweimal und begann einen weitschweifigen, wirren Vortrag voller Pausen und ungeschickter Wiederholungen, sprach von »Finanzierung« und »gutem Ruf«, von »verzichten« und »hilfreich sein«, und nach zehn Minuten wurde deutlich, oder weniger undeutlich, dass er Beard einen Amtsverzicht nahezulegen schien, aber erst die zweite Anspielung auf »die Heimatfront« machte klar, dass es ihm eigentlich um Mrs Braby ging: Seine Erhebung in den Ritterstand und damit der häusliche Frieden standen auf dem Spiel. Dieser Mann, der doch eigentlich sein Untergebener war, forderte Beard zum Rücktritt auf! War es etwa sein Fehler, wenn ein Liebhaber seiner Frau den anderen tötete? Aber er ließ sich seine Entrüstung nicht anmerken und spielte den Begriffsstutzigen.
»Jock, was auch immer zurzeit in Regierungskreisen gemunkelt wird, machen Sie nur nicht den Fehler, jetzt zurückzutreten. Ich werde ein gutes Wort für Sie einlegen. Gehen Sie für ein, zwei Monate aus der Schusslinie, dann hat sich alles wieder beruhigt, glauben Sie mir.«
Für den Moment blieb Braby keine andere Wahl, als das Thema zu wechseln. Sie kamen auf Aldous zu sprechen und waren sich darin einig, dass sie ihn beide nicht leiden konnten, sein Tod aber für das Institut einen Verlust bedeute. Die Polizei hatte sein Zellenbüro untersucht und nichts für den Fall Relevantes gefunden. Ein paar persönliche Gegenstände waren bereits dem untröstlichen Vater in Norfolk ausgehändigt worden.
Braby sagte: »Michael, er hatte eine Akte angelegt, mit dem Vermerk, die sei nur für Sie bestimmt. Ich habe sie gründlich durchgesehen. Viel anorganische Chemie und Mathematik, wirres Zeug, würde ich sagen, und wahrscheinlich während der Arbeitszeit angefertigt.« Er reichte ihm eine dicke Mappe. Beard nahm sie entgegen und erhob sich zum Zeichen, dass das Gespräch beendet sei. Schließlich war er immer noch der Chef.
Braby begleitete ihn ein Stück den Flur hinunter. »Ich finde, wir sollten sein Andenken ehren, indem wir sein Mikrowind-Dingsbums weiterentwickeln. Das sind wir ihm schuldig.«
»Ah ja, das«, sagte Beard. »Selbstverständlich. Das ist sein Vermächtnis.« Sie gaben sich die Hand und gingen auseinander.
Was aber wurde aus seiner Ehe? Nachdem die Leiche abgeholt, die Spurensicherung abgezogen war, der Tatort - das Haus -
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